Der Teilverkauf des Entwicklungszentrums trifft die Belegschaft in Rüsselsheim bis ins Mark. Am Donnerstagmorgen morgen haben die Mitarbeiter ein Zeichen gesetzt.
Von Oliver Bär
Lokalredakteur Rüsselsheim
Protest: Opel-Mitarbeiter versammeln sich zum Kaffeetrinken im Foyer des Adam-Opel-Hauses. Foto: Vollformat / Frank Möllenberg
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RÜSSELSHEIM - Rüsselsheim, Adam-Opel-Haus: Es ist kalt und windig an diesem Donnerstagmorgen, es ist kurz vor 9 Uhr. Von allen Seiten zieht es Opel-Beschäftigte zur Unternehmenszentrale. Hier eine Gruppe im typischen Opel-Blaumann – der ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr blau, sondern eher grau ist – da ein Grüppchen in normaler Straßenkleidung, geeint durch die ernsten Mienen, die sich über die Gesichter legen. Und durch das gemeinsame Ziel, das Foyer.
Es ist eine neue Form des Protests, die rund 800 Opel-Beschäftigte an diesem Morgen in Bewegung setzt. Ein Flashmob, ein überraschendes Zusammentreffen von Leuten, die ein gemeinsames Ziel vereint. Nicht so überfallartig wie in manchen anderen Fällen, dafür aber umso beeindruckender.
Es ist kurz nach 9 Uhr, während sich das Foyer immer weiter füllt. Ein knappes Nicken hier, ein Gruß da, Gespräche in kleinen Gruppen – hier und da blitzt ein Gewerkschaftsbutton an der Jacke auf. Ein wenig irritiert schaut der Mitarbeiter am Empfang, während auch an den Balustraden in den oberen Etagen immer mehr Mitarbeiter ihr Gesicht zeigen. Laute Reden werden nicht geschwungen, Plakate nicht gezeigt. Es ist ein stiller Protest, ein gemeinsames Kaffeetrinken unter dem Motto: „Segula? Nein Danke. Wir sind Opel!“ Still, aber dennoch machtvoll, so lässt sich die Hoffnung der Opelaner deuten.
Kritik der Gewerkschaften
In einer gemeinsamen Erklärung haben die IG Metall und die französische Gewerkschaft Confédération française démocratique du travail (CFDT) die Konzernstrategie scharf kritisiert. Der Zusammenschluss des Peugeot-Konzerns mit Opel eröffne neue Perspektiven, heißt es dort. Und weiter: „Aufgrund der Expertise der Beschäftigten in den französischen und deutschen Entwicklungszentren verfügt der Konzern über eine leistungsfähige Forschung und Entwicklung (F&E) auf sehr hohem Niveau.“ Deshalb dürfe die Geschäftsleitung von PSA ihre F&E Ressourcen nicht kurzfristigen Profitinteressen Opfern. Eine Zukunftsstrategie könne nicht ausschließlich darin bestehen, Fixkosten zu reduzieren und Beschäftigung abzubauen. (olb)
Teilverkauf betrifft 2000 Mitarbeiter
In der vergangenen Woche wurde der Teilverkauf des Opel-Entwicklungszentrums besiegelt, das so schön neudeutsch benannte „signing“ abgeschlossen. Gut 2000 Opel-Mitarbeiter sind davon betroffen. Doch was wirklich läuft, weiß wohl keiner. Transparenz – Fehlanzeige, offene Fragen überall: Wie sieht überhaupt der Geschäftsplan aus? Gibt es ein Rückkehrrecht? Wie sieht es mit der Übernahme der Flächen- und Opeltarifverträge aus? Was ist mit dem Kündigungsschutz?
Es ist mittlerweile 9.15 Uhr: Das Foyer ist ziemlich voll, die Verunsicherung der Belegschaft nahezu greifbar. „Nein, nein“, wehrt Jochen Homburg, der Erste Bevollmächtigte der IG Metall im Bezirk Darmstadt, Fragen ab: „Das ist nicht von uns. Das kommt aus der Belegschaft heraus.“ Stolz ist allerdings schon im Gesicht des Gewerkschafters zu lesen, als er seinen Blick über das Geschehen streifen lässt. Und ganz kann er es sich dann doch nicht verkneifen: „Natürlich sind die Menschen verärgert, dass sie einfach so verkauft werden sollen, ohne dass anständig miteinander kommuniziert wird. Was erwarten Sie?“
Und dann bricht so langsam das Eis: „Die Leute haben keine Perspektive mehr, das ist alles sehr demotivierend. Man fühlt sich im Stich gelassen“, beschreibt ein junger Beschäftigter aus der Motorenentwicklung die Lage. „Warum werden die Zusagen nicht eingehalten?“, fragt er sich mit seinen Kollegen. „Wir sehen nicht, dass der Verkauf an Segula die einzige Lösung ist. Unserer Ansicht nach gibt es Alternativen.“ Immerhin sei das Wissen der Mitarbeiter hoch, ebenso wie die Qualität. „Wir sind doch alle Spezialisten und ein gut eingespieltes Team.“
Spürbarer Unmut
„Der Unmut der Leute ist doch körperlich spürbar“, berichtete eine Ingenieurin. Es sei doch nur natürlich, dass Betroffene wissen wollten, wo sie künftig arbeiten werden – und zu welchen Bedingungen. „Aber unser Arbeitgeber kommt einfach nicht auf die Gewerkschaften zu“, zeigt sie sich zutiefst enttäuscht.
„Das sind doch neue globale Spielchen, die hier gespielt werden“, bricht es aus einem Ingenieur aus dem Engineering heraus. Das Unternehmen hole sich auf diesem Weg doch einen Billiganbieter ins Haus. „Sie glauben doch nicht, dass das dann das Ende ist?“ Dabei sei es doch sinnvoller, wenn Opel immer noch komplett die Verantwortung für die eigenen Autos habe. „Wir können das. Und wir machen das gut.“
Es ist 9.30 Uhr, die ersten gehen. Ein paar Urgesteine sind noch da. Man erkennt sie, sie haben viele Jahre bei Opel auf dem Buckel, werden geachtet von den Kollegen. „So etwas habe ich meiner Zeit hier noch nie erlebt“, sagt einer. Aber aufgeben, das gibt es nicht.