Vortrag über die NSU-Morde

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RAUNHEIM. (mka). Das Versagen von Strafverfolgungsbehörden sowie die als schleppend empfundene gerichtliche Aufarbeitung der NSU-Morde standen am Dienstag im Mittelpunkt eines vom Ausländerbeirat organisierten Vortrages, zu dem sich knapp 30 Personen im Bürgersaal eingefunden hatten.

Als Referentin war die Sozialwissenschaftlerin Birgit Mair gewonnen worden, die sich in den vergangenen Jahren sehr intensiv mit den Taten des so genannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) beschäftigt hat. Die Wahl-Nürnbergerin, die in Österreich aufgewachsen ist, beschäftigt sich als Gründerin des „Institutes für sozialwissenschaftliche Forschung, Bildung und Beratung“ schon seit vielen Jahren mit Neonazismus und Rassismus in der deutschen Gesellschaft.

Rassismus sei wieder hoffähig geworden

Die juristischen Arbeit mit den schrecklichen Taten der bisher stets auf wenige Personen bezogenen Morde, in deren Fokus vor allem türkischstämmige Personen standen, ist noch lange nicht abgeschlossen. Ungeachtet dessen geht die Wissenschaftlerin aufgrund ihrer Recherchen davon aus, dass Rassismus auch in der deutschen und westlichen Gesellschaft wieder hoffähig geworden sei.

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Dass es so lange brauchte, bis die Täter, hinter denen Mair ein ganzes Netzwerk von Rassisten und Neonazis sieht, aufgedeckt werden konnten, habe auch mit einem in den Strafverfolgungsbehörden mittlerweile institutionalisierten Rassismus zu tun. Der habe es erst ermöglicht, dass die Zahl der dem NSU zugeschriebenen Taten immer weiter anwachsen konnte. Einwände dagegen, dass es sich dabei nicht, wie lange Zeit behauptet, um Gewalttaten des organisierten Verbrechens handele, seien ignoriert worden. Während Bürgermeister Thomas Jühe empört den Verdacht zurückwies, dass deutsche Behörden Hinweise auf die Neonaziszene generell zu vertuschen versuchen, wollten Vertreter des Ausländerbeirates dies hinsichtlich des staatlichen Vorgehens nicht nur erhärten. Sie nahmen dafür auch gleich noch die Medien in die Mitverantwortung. Ahnliche Überlegungen haben in der türkischen Regierung zu der Einschätzung geführt, dass es sich bei der Bundesrepublik um einen faschistischen Staat handele.

Dazu gehörte am Dienstag auch der von einem Beiratsmitglied erhobene Vorwurf, dass der seit mehr als vier Jahre andauernde Prozess, unter anderem gegen Beate Zschäpe, nur deshalb so lange dauere, weil der Staat die Ermittlungsarbeit behindere, beziehungsweise Zeugen aus dem Weg geschafft würden.

Eine Mär, die von Birgit Mair, die die Vorkommnisse außerordentlich präzise aufgearbeitet und unter anderem auch in einer Ausstellung, die am Dienstag gezeigt wurde, zusammengefasst hat, widerlegt wurde. Dass über einen so langen Zeitraum – der erste von zehn sehr kaltblütig erfolgten Morden geschah im September 2000 – Zeugen eines natürlichen Todes verstürben, müsse als gegeben hingenommen werden. Bis im April 2007, der Ermordung der Polizistin Michele Kieswetter, starben acht Türken und ein Grieche durch den NSU. Für den Prozess sind vom Gericht viele hundert Zeugen zu hören.