Die Warteliste beim therapeutischen Reiten ist lang

Mit einem kleinen Tritt schafft es Tom, auf Puffel aufzusteigen. FSJlerin Annabelle Kromlinger unterstützt dabei. Foto: Jens Etzelsberger
© Jens Etzelsberger

Tom Birkhoff hat beim Reitsportverein Rüsselsheim schnell einen Platz für das therapeutische Reiten gefunden. Der Verein benötigt ein weiteres Pferd. Das Echo hilft.

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RÜSSELSHEIM. Rüsselsheim. Tom hat nicht so viele Hobbys. "Es ist etwas schwer mit den Gleichaltrigen", sagt Nicole Birkhoff, die Mutter des Vierzehnjährigen. Früher war das anders. Früher, das war vor dem Juni 2015, dem Monat, als dem Königstädter Jugendlichen ein Hirntumor entfernt wurde. Der sportliche Bub, der kurze Zeit zuvor noch am Mainuferlauf teilgenommen hatte, saß plötzlich im Rollstuhl. "Sitzen, stehen, krabeln, laufen - er musste alles neu lernen", erinnert sich Mutter Nicole. Heute braucht Tom keinen Rollstuhl mehr. Sein Gleichgewichtssinn ist noch etwas beeinträchtigt, doch er kann laufen, fährt in seinem dreirädrigen Liegefahrrad.

Mit für seine Genesung verantwortlich macht Nicole Birkhoff das therapeutische Reiten beim Reitsportverein Rüsselsheim (RSVR). Schon im November 2015, keine sechs Monate nach der Operation, startete Tom die ersten Versuche auf dem Pferd. "Wir hatten Glück, dass wir schnell drangekommen sind", sagt Nicole Birkhoff. Dieses Glück wird nicht allen zuteil. Die Nachfrage ist mittlerweile so groß, dass es eine Warteliste beim therapeutischen Reiten gibt. Mit einem weiteren Therapiepferd könnte die Situation aber entspannt werden.

Die Stunden beim RSVR sind nicht die einzige Therapie, die Tom bekommen hat, doch die positiven Effekte seien nicht von der Hand zu weisen. "Das Gleichgewichtsempfinden hat sich stetig verbessert, die Stabilität im Rumpf hat zugenommen. Man hat gemerkt, dass es ihm gut tut", sagt Mutter Nicole. Entwicklungen, die auch von den Ärzten bestätigt worden seien. An der Sinnhaftigkeit pferdegestützter Therapie hat sie keinen Zweifel. Schon in der Reha im Anschluss an die Operation sei Hippotherapie Teil des Angebotes gewesen, berichtet Nicole Birkhoff. Weil sie das Angebot aus der Reha kennt, sieht sie Tom auch beim RSVR gut aufgehoben. In der Professionalität sei kein Unterschied festzustellen. Dazu komme die große Empathie des Teams. "Carmen Stowasser ist schon eine Institution", sagt Birkhoff und auch die FSJlerinnen, die sie bisher kennengelernt habe, seien immer mit Hingabe und Herz bei der Sache. Dass spielerisch auch Lerninhalte integriert werden, dass mal auf Englisch gezählt wird, dass die Buchstaben an den Hallenwänden gelernt werden, gefällt Toms Mutter. Doch es sind nicht nur Toms Fortschritte, die Nicole Birkhoff an dem Angebot schätzt. "Es gefällt ihm sehr gut. Schon im Auto überlegt er, welches Pferd er wohl heute reiten wird", sagt Nicole Birkhoff. Begonnen hat Tom das therapeutische Reiten auf "Fenus", mittlerweile steigt er auf "Puffel" und "Kuba". Mit einem kleinen Treppchen schafft es der Vierzehnjährige, selbst auf das Pferd zu steigen. "Tom ist immer fröhlich, wenn er nach dem Reiten abgeholt wird. Wir sind begeistert, dass er hier hergehen kann", sagt Mutter Nicole. Schon vor seiner Operation hatte der Junge Kontakt zu Pferden, saß mit zwei Jahren schon im Sattel. Toms Freude an den Pferden geht über das reine Reiten hinaus. Alle zwei Wochen ist er samstags ebenfalls im Reitstall, hilft bei der Boxenarbeit und dem Putzen der Tiere. Aber auch der sportliche Aspekt ist Nicole Birkhoff wichtig. Ihr Sohn sei bei Turnieren sehr ehrgeizig. Sie schätzt die Möglichkeiten, die ihm mit dem Riders Cup des RSVR gegeben werden, aber auch die Turnierteilnahme in Trebur oder beim Pferdesport-Festival "Equitana" in diesem Sommer in Mannheim hätten Tom viel Freude bereitet. Auch in seiner Hochheimer Schule erzähle Tom im Klassenkreis gerne von seinem Hobby.

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Nicole Birkhoff schätzt auch den Austausch mit anderen Eltern in der Reithalle, die ein ähnliches Schicksal teilen.