Ob die 500 Kilo schwere Weltkriegsbombe gesprengt oder entschärft wird, steht noch nicht fest. Neben der Evakuierung werden am Mittwoch auch Bundesstraßen und Bahnlinien gesperrt.
Weiterstadt. Wegen des Bombenfunds am Montag auf dem Werksgelände der Firma Röhm in der Riedbahnstraße in Weiterstadt muss am Mittwoch ein Teil des Wohn- und Gewerbegebiets evakuiert werden, zudem ein Teil von Darmstadt – und einige wichtige Verkehrswege werden zeitweise auch gesperrt, wie der Landkreis Darmstadt-Dieburg mitteilt. Die Vorbereitungen laufen nach Angaben des Weiterstädter Bürgermeisters Ralf Möller (SPD). Noch ist laut Matthias Schaider, Sprecher des Regierungspräsidiums Darmstadt, nicht raus, ob die Bombe, die 500 Kilogramm schwer ist, auf dem Gelände des Plexiglas-Herstellers am Mittwoch gezielt gesprengt werden muss oder doch entschärft werden kann. „Das wird erst entschieden, wenn an der Bombe gearbeitet wird”, sagt der Behördensprecher. An den Zünder geht der Kampfmittelräumdienst allerdings erst, wenn die Umgebung geräumt ist. Vorbereitet werden beide Varianten: kontrollierte Sprengung und Entschärfung. Für die Sprengung müsste ein fünf Meter tiefes Loch gegraben werden, das mit Sand und eventuell auch Wasserpacks gesichert wird.
Nach Informationen dieser Zeitung wird die Evakuierung am Mittwoch von 8 bis 20 Uhr dauern. Sowohl die Stadt Darmstadt als auch die Stadt Weiterstadt haben entsprechende Allgemeinverfügungen erlassen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Sperrung – sollte es keine Komplikationen geben – schon vorher aufgehoben sein wird. In Harreshausen etwa, wo vor zwei Jahren eine Bombe entschärft wurde, durften die Menschen ab etwa 16.30 Uhr wieder in ihre Häuser. „Wenn die Kollegen vom Kampfmittelräumdienst loslegen können, ist dies der kürzeste Part”, sagt Matthias Schaider. Es komme nur darauf an, bis wann das Gebiet evakuiert sei. Bei einem der letzten Bombenfunde in Offenbach vor einigen Tagen habe es einige Menschen gegeben, die das Evakuierungsgebiet nicht verlassen wollten.
Beide Kommunen bereiten die Evakuierung in einem Radius von 1000 Metern um das Werksgelände vor. Die Stadt Weiterstadt hat einen Verwaltungsstab eingerichtet, der im engen Austausch mit dem Krisenstab des Landkreises und des Katastrophenschutzes des Kreises steht. Betroffen sind von der Evakuierung auch wichtige Verkehrswege: Ab 11 Uhr werden die Sperrungen auf der Bundesstraßen 3 und 42 sowie der Bahnstrecken Darmstadt – Wiesbaden/Mainz und Darmstadt – Frankfurt vorgenommen sein. Auch die Landesstraße 3113 ist teilweise gesperrt, nur die Autobahn 5 ist nicht betroffen. Aber die Abfahrten nach Weiterstadt werden ebenfalls nicht benutzbar sein.
Von der Evakuierung betroffen sind folgende Straßen ganz oder teilweise: In Weiterstadt: Amselweg, Birkenweg, Feldstraße, Finkenweg, Grüner Weg, Gutenbergstraße, In der hohen Tanne, In der Krümme, Industriestraße, Lagerstraße, Riedbahnstraße, Riedstraße, Robert-Bosch-Straße, Robert-Koch-Straße, Rudolf-Diesel-Straße, Sandstraße, Wiesenstraße, Zeppelinstraße.
In Darmstadt: Am Wesel Acker, Akazienweg, Bunsenstraße, Gräfenhäuser Straße, Haasstraße, Mainzer Straße (bis Palaswiesenstraße), Michaelisstraße (bis Jugendzentrum), Nansenstraße, Staudingerstraße, Im Harras (bis Kölner Straße), Otto-Röhm-Straße (Filialen Aldi und Möbelhaus Mömax).
Die zu evakuierenden Anwohnerinnen und Anwohner werden am Mittwoch konkret von der Kommunalpolizei Weiterstadt und Stadtpolizei Darmstadt zum Verlassen ihrer Wohnung aufgefordert. Wer nicht selbst mobil ist, kann mit kostenfreien Bussen die Riedbahn verlassen, die um 7.30 Uhr, 8.30 Uhr und 9.30 Uhr verschiedene Haltestellen anfahren.
Viele Tausend Menschen sind betroffen
Am Vormittag sollen die Details der groß angelegten Aktion besprochen und vorbereitet werden. Nach Angaben von Möller sind etwa 2000 Menschen in Weiterstadt betroffen, die in dem Gebiet rund um Röhm leben. Hinzu kommen etwa 10.000 Mitarbeiter der etwa 150 Firmen in dem betroffenen Gelände in Weiterstadt. Dazu gehören Loop 5, Merck, Decathlon und viele mehr. Das Weiterstädter Rathaus, das sich in unmittelbarer Nähe des Röhm-Geländes befindet, ist bereits geschlossen. Per Lautsprecherdurchsagen soll die Bevölkerung über die Evakuierung informiert werden.
In Darmstadt sind nach Angaben von Ordnungsdezernent Paul Wandrey 750 Bewohner in der Waldkolonie betroffen, zudem einige Gewerbebetriebe. Durch die Feuerwehr werden derzeit schon Informationen in alle Briefkästen eingeworfen, zudem soll es Aushänge mit Infos geben. Im betroffenen Gebiet liegen auch eine Obdachlosenunterkunft sowie ein Jugendzentrum, die Diakonie sei für die Gemeinwesenarbeit mit im Boot, so Wandrey. Betroffen ist auch die Kläranlage in Darmstadt, die während der Zeit der Evakuierung aus der Kläranlage in Eberstadt ferngesteuert wird. Wandrey rechnet nicht damit, dass die restlichen Darmstädter Auswirkungen spüren.
Städte haben Infotelefone eingerichtet
Rettungsdienste wie DRK kümmern sich um die Versorgung der Menschen, sagt Möller weiter. Wann genau die Bombe gesprengt wird, steht noch nicht fest. „Erstmal geht es darum, dass wir sicherstellen, dass sich am Mittwoch niemand mehr im betroffenen Gebiet aufhält. Niemand darf mehr rein. Und wer drin ist, muss das Gebiet verlassen”, sagt Möller.
Die Stadt Weiterstadt hat ein Bürgertelefon eingerichtet: 06150 400 1005, die Stadt Darmstadt auch: 06151 132 060
Hilfsbedürftige, die ihre Wohnung nicht eigenständig verlassen können, sollen sich über das Infotelefon melden. Für Evakuierte steht die Bürgerzentrum Weiterstadt (Carl-Ulrich-Straße 9-13) und Schneppenhausen (Gräfenhäuser Straße 23) sowie in Darmstadt die Sporthalle der Käthe-Kollwitz-Schule (Koblenzer Straße 8) zur Verfügung. Der Unterricht findet allerdings abgesehen vom Sport ganz normal statt, sagt Paul Wandrey. Ab 18 Uhr heute Abend richten Feuerwehr und Katastrophenschutz die Halle her. Das Infotelefon der Stadt Weiterstadt ist unter 06150-4001005 zu erreichen. Das Infotelefon der Darmstadt unter 06151-132060.
Wie berichtet, wurde am Montagnachmittag auf dem Werksgelände des Chemie-Unternehmens Röhm in der Riedbahnstraße in Weiterstadt eine Bombe gefunden. Der Kampfmittelräumdienst war seit etwa 17.30 Uhr mit dem Brand- und Katastrophenschutz des Kreises, Vertretern der Stadt Weiterstadt, der Berufsfeuerwehr Darmstadt und der Werksfeuerwehren vor Ort, um das weitere Vorgehen zu beraten, teilte am Abend Frank Horneff, Pressesprecher des Landkreises, mit. Weitreichende Absperrungen wurden keine vorgenommen. Auch eine Gefahr für die Bevölkerung bestehe nicht, hieß es am Montag.
In Hanau waren vor einigen Tagen rund 17.000 Menschen evakuiert worden. Dort hatte es in letzter Konsequenz eine kontrollierte Sprengung gegeben. Bei der Nachuntersuchung seien keine Folgeschäden entdeckt worden, etwa Risse in den Häusern. Dennoch wurden dort auch Vorbereitungen vor der Sprengung getroffen, weil in der Umgebung „gefährdete Industrie” vorhanden war. So wie nun hier auch mit Röhm und dem Chemie-Unternehmen Evonik. Allerdings steht derzeit noch nicht fest, wie beide Unternehmen mit der Situation umgehen. Laut Evonik-Sprecher Sascha Görg liefen noch Gespräche, ob Chemikalien entfernt werden müssen: „Zum jetzigen Zeitpunkt müssen wir das nicht machen”, sagt er. Natürlich werde auch Evonik sein Gelände von 8 bis 20 Uhr räumen. Laut Röhm-Sprecherin Christina Höhn ist das Unternehmen schon seit Montag dabei, einen Teil der Chemikalien vom Firmengelände zu entfernen.