Raumfahrt-Missionen in die Weiten des Alls beflügeln die Fantasie - und kosten viel Geld. Mehr als 14 Milliarden Euro haben die europäischen Raumfahrer für die nächsten...
DARMSTADT. In einem abgedunkelten Raum am Rande Darmstadts leuchten auf Dutzenden Computermonitoren Datenkolonnen, Grafiken und Tabellen. Hochkonzentrierte Spezialisten kontrollieren eingehende Informationen und müssen im Notfall schnell handeln. Fehler können hier extrem teuer werden. In dem eher unscheinbaren Gebäudekomplex sitzt das Herz der europäischen Raumfahrt. Was Houston für die bemannte Raumfahrt der NASA ist, ist Darmstadt für die Satellitenprogramme der europäischen ESA. Wenn in Cape Canaveral in Florida oder in Kourou in Französisch-Guayana Raketen mit europäischen Satelliten starten, ist das European Space Operations Centre (ESOC) in der südhessischen Stadt das Kontrollzentrum - Auge, Herz und Navigator.
Flugdirektor Andrea Accomazzo trainiert im Kontrollzentrum derzeit mit Mitgliedern seines Teams für eine der nächsten Missionen. Im Februar soll von Cape Canaveral eine Reise zur Sonne starten. Der Solar Orbiter soll sich auf den Weg zur 150 Millionen Kilometer entfernten Sonne machen und dort auch einen Blick auf bislang weniger bekannte Regionen werfen. Bis rund 42 Millionen Kilometer solle sich Solar Orbiter nähern.
"Die Sonne ist wie ein riesiges Atomkraftwerk", sagt Accomazzo. Sie schenke der Erde Energie, aber es gebe auch Strahlungen und Sonneneruptionen. Vor diesem sogenannten Weltraumwetter gingen auch für die Erde Gefahren aus. So könne die Kommunikation und die Stromversorgung gestört werden. "Wir wollen immer besser verstehen, wie alles funktioniert."
Orbiter startet im Februar
Beim geplanten Start des Orbiter im Februar werden wie bei jedem anderen Satellitenstart rund 80 Mitarbeiter im Mission-Controlteam sein. 20 bis 25 gehören dem Flugdirektor zufolge zum Kernteam. Spezialisten, die den Satelliten fliegen, Softwareexperten, aber auch ein Team, das den Orbiter gebaut hat. Diese Experten werden nun in Darmstadt zu einem Team getrimmt, das am Tag des Starts binnen kürzester Zeit reagieren können muss. In der Trainingsphase werden ständig Fehler eingespielt, auf die sie reagieren müssen.
"Das Kritische sind die ersten acht Stunden", sagt Accomazzo. Öffnen sich die Solarmodule nicht, die Triebwerke funktionieren nicht richtig oder es kommen keine Radiosignale, droht die Mission zu scheitern. "Wenn der Satellit von der Rakete getrennt ist, brauchen wir so schnell wie möglich Radiosignale, sonst wissen wir nicht, was los ist." Ein "Houston wir haben ein Problem"-Funkspruch gibt es nicht, ohne diese Radiosignale fliegt der Orbiter quasi blind in den Raum. Damit wäre die fast eine Milliarde Euro teure und für mindestens zehn Jahre ausgelegte Mission ein Fehlschlag.
In Darmstadt hat man mehr als 50 Jahre Erfahrung mit All-Missionen. Der Solar Orbiter wäre nach gelungenem Start einer von mehr als 20 Missionen im All, die von Südhessen aus aktuell kontrolliert werden. Hinzu kommen die Fragen der Weltraumsicherheit - zum Beispiel die Überwachung potenziell gefährlicher Asteroiden und des immer größer werdenden Problems des Weltraumschrotts.
Die Raumfahrt hat eine wichtige Funktion bei der Telekommunikation, Wetter- und Klimaanalyse, einer möglichen Asteroidenabwehr und in der Forschung. Sie kostet aber auch eine Menge Geld. Die 22 Mitgliedsstaaten der ESA hoben in der vergangenen Woche das Budget für die Missionen und Aufgaben in den kommenden drei bis fünf Jahren auf die Rekordsumme von 14,4 Milliarden Euro an.
Auch bei den künftigen Missionen sind wieder die Spezialisten in Darmstadt gefragt. "Ohne uns fliegen die Satelliten nicht", sagt der Leiter des ESA-Missionsbetriebs und stellvertretende ESOC-Zentrumsleiter Paolo Ferri. "Wir sind zuständig für alle Missionen. Wir manövrieren, wir machen die gesamte Navigation, wir schicken die Kommandos." Von Darmstadt aus wurden und werden Missionen zum Mars, Merkur oder Saturn ebenso kontrolliert wie Wetter- oder Kommunikationssatelliten. Spektakuläre Missionen waren für Ferri der Lander Huygens, der 2005 auf dem Saturnmond Titan landete und Bilder sendete, oder auch die Sonde Rosetta, die den Kometen Tschurjumow-Gerassimenko erforschte.
Von dpa