Sven Fennema/Petra Reski: Melancholia – Zauber vergessener Welten
Im XL-Format fängt der Bildband „Melancholia“ den Zauber vergessener Welten ein. Aufgespürt und festgehalten hat sie der Fotograf Sven Fennema.
Von Verena Hoenig
Bühnenbild für eine Fantasiereise: Verlassenes Interieur, aufgespürt von Sven Fennema.
(Foto: Sven Fennema/Frederking & Thaler)
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An diesen Orten herrscht kein Lärm. Still zerbröckeln sie und werden von Tag zu Tag grüner. Denn die Natur holt sich das von Menschen Geschaffene zurück.
Im XL-Format fängt der Bildband „Melancholia“ den Zauber vergessener Welten ein. Aufgespürt und festgehalten hat sie der Fotograf Sven Fennema, der einer persönlichen Obsession für verfallene Gebäude folgt. Lost Places, wie man sie hier nennt, oder abandoned places im Englischen, sind Bauwerke, die aufgegeben und sich selbst überlassen wurden.
Verwunschene, märchenhafte Orte aus Süd- und Mittelitalien erwarten den Betrachter des opulenten Coffee Table Books: Ehemalige Marmorsteinbrüche und stillgelegte Brücken, verlassene Klöster, Schlösser, Mühlen, einstmals prunkvolle Villen, verfallene Kirchen, Friedhöfe und Krankenhäuser. Ja, manchmal sind es ganze Geisterdörfer. Sie alle erzählen – teilweise jahrhundertealte – Geschichten aus der Vergangenheit voll bittersüßer Melancholie.
Warum sie verlassen wurden? Die Gründe sind vielfältig: Landflucht und Brände, Erdbeben und andere Naturkatastrophen. In jüngerer Zeit ist auch die Globalisierung verantwortlich zu machen, wenn Fabriken schließen mussten, weil fortan in China oder Bangladesch produziert wurde. Und dann stehen eben Betonskelette in der Gegend herum.
Bühnenbild für eine Fantasiereise: Verlassenes Interieur, aufgespürt von Sven Fennema. Foto: Sven Fennema/Frederking & Thaler
Sven Fennema (Fotos), Petra Reski (Texte)Melancholia – Zauber vergessener WeltenVerlag Frederking und Thaler, 320 Seiten, über 230 Abbildungen, 98 Euro.
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Die Faszination des Fotografen für diese besonderen Orte, die zwischen Olivenplantagen zu finden sind, in malerischen Regionen auf Hügeln oder mitten im Wald, wirkt auf den Betrachter ansteckend. Angesichts der architektonischen Kleinode in desaströsem Zustand erfasst ihn erschrockenes Staunen, und er verliert sich in Bildern von Fresken, Stuckornamenten oder beschädigten Statuen. Im Wohnraum eines Palazzos hängen noch die schweren Vorhänge und lassen den alten Glanz erahnen. In anderen Zimmern hat der Grünspan neue Gemälde erschaffen. Wurzeln und Geäst haben sich durch das verbliebene marode Mauerwerk gearbeitet – so pittoresk können Ruinen sein.
Man schwelgt in den untergegangenen Welten, die immer noch Spuren menschlichen Lebens aufweisen. Aufnahmen von alten Psychiatrien und in Krypten ausgestellten Mumien sorgen für Gänsehaut. Der Totenkult in Süditalien war und ist stark ausgeprägt.
Der in Krefeld lebende Sven Fennema bringt mit seinen Bildern einstige Schönheiten, denen niemand mehr Beachtung schenkt, zum Vorschein und hält sie für die Ewigkeit fest. Dabei verwendet er konsequent natürliches Licht, um eine stimmungsvolle Atmosphäre zu schaffen. Sein vor drei Jahren veröffentlichtes Buch „Nostalgia“, das sich ebenfalls Lost Places widmet, hat inzwischen die dritte Auflage erreicht.
Auf der Suche nach den Motiven in Kalabrien, Kampanien, der Toskana oder der Lombardei musste der Fotograf oft lange, steile oder zugewucherte Wege zurücklegen. Das war beschwerlich, hat sich aber augenscheinlich gelohnt. Die thematisch geordneten Kapitel werden von lakonischen Texten der Autorin Petra Reski eingeleitet, die kurzen Bildunterschriften und persönlichen Kommentare hat Fennema selbst verfasst. Die weiße Schrift auf schwarzem Grund passt zum morbiden Charme der Aufnahmen.