Neuer Roman über „Sisi“, die österreichische Kaiserin

Karen Duve ist leidenschaftliche Reiterin. Das verbindet sie mit der KuK-Ikone, der sie jetzt ihr neues Buch „Sisi“ gewidmet hat. Foto: Kerstin Ahlrichs
© Kerstin Ahlrichs

Eigentlich wollte Karen Duve ein Buch über Pferde schreiben. Aber bei der Recherche stieß sie oft auf „Sisi“. Jetzt wirft sie ein neues Licht auf ihr Leben – und ihre Lieben.

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WIESBADEN. Auch fast 125 Jahre nach ihrem Tod fasziniert sie immer noch: Elisabeth, Kaiserin von Österreich-Ungarn. Gerade ist eine neue Serie bei Netflix herausgekommen (siehe nebenstehenden Beitrag), und auch die Autorin Karen Duve setzt sich jetzt mit „Sisi“ auseinander. Bevor sie den Roman am 25. Oktober um 19.30 Uhr im Wiesbadener Literaturhaus vorstellt, erzählt sie von ihrem Blick auf die KuK-Ikone.

Karen Duve ist leidenschaftliche Reiterin. Das verbindet sie mit der KuK-Ikone, der sie jetzt ihr neues Buch „Sisi“ gewidmet hat. Foto: Kerstin Ahlrichs

Frau Duve, warum hat die historische Figur der österreichischen Kaiserin Elisabeth Sie gereizt?

Sie war eine der besten Jagdreiterinnen ihrer Zeit. Das ist sehr ungewöhnlich für eine Kaiserin, die ja eigentlich anderes zu tun hat. Und das ist gleich der zweite Grund, der sie so interessant macht. Sie hat sich geweigert, das zu tun, was von ihr erwartet wurde – Denkmalenthüllungen und Ausstellungseröffnungen. Stattdessen hat sie mit der englischen Jagdreiterei einen Extremsport betrieben. Franz Joseph muss sie ungeheuer geliebt haben, dass er ihr diese Freiheiten durchgehen ließ.

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Was halten Sie von den „Sissi“-Filmen der 50er-Jahre?

Erst, seit ich etwas mehr über Kaiserin Elisabeth weiß, habe ich die Marischka-Verfilmungen richtig schätzen gelernt. Sie sind sehr liebevoll gearbeitet – bis ins Detail. Sisis Vater – „der Pappili“ – kommt allerdings zu gut weg. Der war ja meist gar nicht anwesend. Und Sisis Mutter war auch nicht so ehrgeizig, sondern der liebevolle Halt für ihre Kinder. Weihnachten wird wieder „Sissi“ geschaut.

Nun könnte man ja denken, zu Sisi wäre alles erzählt. Aber es entstehen immer wieder neue Filme, neue Serien wie jetzt „Die Kaiserin“. Was glauben Sie: Warum übt sie so eine große Faszination aus?

Ich schaue mir alle Sisi-Verfilmungen an: Es ist immer spannend, eine weitere Perspektive kennenzulernen, und ein Vergnügen, all die kleinen Anspielungen und Fehler zu entdecken, die extra für Sisi-Besserwisser wie mich eingearbeitet worden sind. Übrigens ist noch lange nicht alles über Sisi erzählt worden. Da lagern noch massenhaft unbekannte Briefe und Geheimnisse in staubigen Schlossarchiven. Wenn man so berühmt wie Sisi werden will, muss man sehr schön sein, eine unergründliche Seele haben, ein seltsames, geheimnisvolles Leben führen und eine Märchenhochzeit mit einem Monarchen eingehen. Oder man wird Influencerin.

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Man hört oft: Sisi sei im 19. Jahrhundert das gewesen, was Lady Di im 20. Jahrhundert war. Eine ikonische, populäre, vielleicht auch manipulative Persönlichkeit, die den Regeln entgegentrat und deren Schönheit die Massen anzog. Stimmen Sie dem Vergleich zu? Ihr Roman beginnt sehr beziehungsreich auf dem Landsitz der Spencers....

Der Gedanke hat sich auch mir aufgedrängt. Die Traurigkeit, das verspannte Verhältnis zum Essen, die Enttäuschung über den Ehemann, die Affäre mit dem Reitlehrer. Schon wenn man die Bilder von den beiden Frauen sieht, wie sie etwa Krankenhäuser besuchten und dort einen vertrauten Umgang mit den schwerkranken Menschen hatten. Nur, dass Sisi zu Lebzeiten bei ihren Untertanen nicht so beliebt war. Die bekamen sie kaum zu Gesicht. Ihre Ikonisierung kam erst später. Und Sisi war eine viel bessere Reiterin als Diana.

Nicht ohne Grund prangen auf dem Buchtitel zwei Pferde: Der Reitsport nimmt viel Raum ein bei Ihnen. Weil Sie selbst reiten?

Ja, und eigentlich hatte ich sogar geplant, ein Buch über Pferde zu schreiben. Es sollte um einen alten Reitmeister gehen, anhand dessen Leben ich über die Reitkunst schreiben wollte. Bei der Recherche stieß ich erstaunlicherweise immer wieder auf Sisi. Ihr Leben erwies sich auch als viel interessanter. Es war sogar so interessant, dass die Pferde dafür ein wenig in den Hintergrund rücken mussten. Das ist der Nachteil, wenn man über eine historische Figur schreibt: man kann nicht planen, weil man ja vorher nicht weiß, was man bei der Recherche finden wird. Es hat allein vier Jahre gedauert, all die Bücher auszuwerten, die bereits über Sisi veröffentlicht wurden.

Sie erzählen auch Geschichten, die neu sind. Wie die der Liaison mit dem Herrn Pacher und die Verbundenheit mit ihrer Nichte Marie. Ist das Fiktion oder gibt dafür historische Grundlagen?

Ich bin natürlich nicht dabei gewesen, aber die Sache mit dem Herrn Pacher, mit dem die Kaiserin nach einem Maskenball eine leicht frivole Brieffreundschaft unter falschem Namen unterhielt, soll sich tatsächlich so zugetragen haben. Herr Pacher hat die Briefe aufbewahrt und erst im hohen Alter, als der Elisabeth-Biograf Conte Corti bei ihm auftauchte und nach den Briefen fragte, erfuhr er, dass er damals tatsächlich die Kaiserin am Arm geführt hatte. Es gibt den Inhalt dieser Briefe, und auch Elisabeths Tochter Valerie war in dieses Geheimnis eingeweiht und hat es bestätigt. Bei Elisabeths Lieblingsnichte Marie ist die Sache nicht ganz so eindeutig. Es ist fast immer sie selber, die über ihre Beziehung zur kaiserlichen Tante erzählt, sie gilt bei Biografen als nicht besonders seriös. Ich habe ihre Memoiren mit anderen Quellen verglichen, um sie bestätigt oder widerlegt zu bekommen, aber wenn es nichts gab, musste ich selber entscheiden, ob ich ihre Geschichte nun glaubhaft fand oder eben nicht. Deswegen nenne ich das Buch ja auch einen Roman, da bin ich auf der sicheren Seite – auch wenn ich selber überzeugt bin, dass sich alles mehr oder weniger so zugetragen hat.

Sehen Sie Sisi heute mit anderen Augen?

Mein Blick hat sich auch ein wenig geändert, aber vor allem hat sich mein Sisi-Bild vervollständigt. Es gibt den fünfzehnjährigen Sisi-Fratz, aber es gibt eben auch die wunderschöne Enddreißigerin, desillusioniert und klüger, die in einem verzweifelten Kampf gegen das Alter und den Verlust der Schönheit steckt. Und die sich immer noch ihre Possenhofener Wildheit bewahrt hat.

Das Interview führte Birgitta Lamparth.