Jindrich Mann liest im Wiesbadener Literaturhaus Villa Clementine
Heinrich Manns Enkel Jindrich lebt als Stipendiat des Hessischen Literaturrats derzeit in Wiesbaden. Am 20. November ist der Regisseur und Autor im Literaturhaus zu erleben.
Von Viola Bolduan
Als Literaturstipendiat des Hessischen Literaturrats zu Gast in Wiesbaden: Jendrich Mann.
(Foto: Volker Watschounek)
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WIESBADEN - Irgendwo in der Nähe von Mainz und Frankfurt liegt Wiesbaden. Der Filmregisseur kennt die Stadt jenseits des Rheins, weil dort das ZDF liegt, der Autor besucht Frankfurt als Ort wichtiger Verlage. Und Wiesbaden? „Terra incognita“, sagt Jindrich Mann. Jetzt ist er aber hier in der Stadt und bewohnt als Stipendiat des Hessischen Literaturrats im November das Literaturhaus. Obwohl nun nicht gerade „im Stipendiatenalter“, lächelt der 70-Jährige, hatte er sich die Gelegenheit, sich in einer fremden Stadt auf seine Arbeit konzentrieren zu können, nicht entgehen lassen.
„Ich kenne hier niemanden“
Seit 2007 besteht ein Austausch zwischen Hessischem Literaturrat und dem Literaturhaus in Prag. Das Wiesbadener Literaturhaus kennt Jindrich Mann inzwischen, Markt, Kurviertel, Park und das Café im „Lumen“, wo wir uns zum Gespräch treffen. „Ich mag die Stadt“, sagt er höflich, und es klingt eher nach einem Denkergebnis als nach Herbst-Euphorie. Er braucht keine Weltkurstadt-Nostalgie und auch nicht viele Leute. „Ich kenne hier niemanden“ – und gerade deswegen hatte er Lust, in Heines „traurigem Monat November“ nach Deutschland hinüber zu reisen. Ihm gefällt „nachdenklich machende Stille“ – obwohl: Der Mann ist ja nicht ohne den Charme feiner Selbstironie. Die hilft, wenn man aus einer berühmten Schriftstellerfamilie stammt und selbst die Tradition fortsetzen will. Diese Tradition ist eine doppelte und tschechisch-deutsche.
Jindrich Mann ist Sohn des tschechischen Erzählers Ludvik Aškenazy und dessen Frau Leonie, der einzigen Tochter Heinrich Manns. Die Großmutter Maria Kanová, Heinrich Manns erste Ehefrau, kam aus Prag, wohin sie nach der Trennung und Hitlers Machtergreifung 1933 mit Tochter Leonie zurückzog. Deren Söhne Jindrich und Ludvik kommen in Prag zur Welt; nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 emigriert die Familie in den Westen, Jindrich Mann studiert Film und Drehbuch an der Film- und Fernsehakademie Berlin, arbeitet im Filmgeschäft und kehrt nach der Wende 1989 wieder nach Prag zurück. „Ich bin tschechischer Stipendiat“, stellt der Autor fest – auch wenn er noch so gut Deutsch spricht und schreibt. Sein Buch über die Familie „Prag, poste restante“ (2007) hat er in deutscher Sprache verfasst. Er nennt es einen „biografischen Roman“, der einen Bogen spannt von der Großeltern-Generation bis zur Wende und nach tschechischer Tradition manche Erzählung einstreut. Es hat in seiner Heimat große Resonanz erfahren – zumal er es 2012 selbst rückübersetzt hat in seine Muttersprache. Er wird es in seiner Lesung im Literaturhaus am 20. November vorstellen. Neu ist Jindrich Manns Novellen-Band „Lední medved“ („Eisbär“), aus dem er in deutscher Übersetzung ebenfalls vortragen wird. Die Veranstaltung moderiert Professorin Ariane Martin, eine Heinrich-Mann-Spezialistin.
Dass Jindrich Mann über den Großvater und dessen Bruder Thomas sehr viel mehr weiß, als er darüber spricht, ist verständlich, denn schreiben wollte er selbst eben immer auch schon. „Naheliegend“, meint er trocken. Jindrich Mann schreibt beneidenswerterweise in zwei Sprachen – der Großvater Heinrich und dessen kleiner großer Bruder nicht. Das reicht dann auch zum Thema Mann-Familie! „Ich bin ein Namens- kein Kenntnisträger.“