Harald Lüders „Traumtunnel“: Kriminelle Macht der Datenkraken
Der investigative Journalist Mitch Berger übernimmt im Thriller die klassische Schnüffler-Rolle – und lässt bei der Suche nach der exklusiven Story alle Gebote seiner Zunft außer Acht.
Von Reiner Trabold
Harald LüdersTraumtunnelWestend-Verlag in Frankfurt, 330 Seiten, 16 Euro.
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Es ist natürlich ein Albtraum, auf dem Harald Lüders’ „Traumtunnel“ basiert. Wer nie mit Virtual Reality zu tun hatte, vielleicht noch nicht einmal eine dieser Brillen auf der Nase hatte, die dem menschlichen Gehirn Naherlebnisse vorgaukeln, wird mit dem Treiben um eine abgehobene Klinik in den Südtiroler Alpen seine Probleme haben.
Der investigative Journalist Mitch Berger übernimmt zum zweiten Mal (nach „Dunkelmacht“) die klassische Schnüffler-Rolle. Beängstigend, wie einer bei der Suche nach der exklusiven Story alle Gebote seiner Zunft außer Acht lässt. Aber weil ihm der Pleitegeier im Genick sitzt, manövriert er auf der Suche nach der Wahrheit sich und andere in Lebensgefahr. Hartnäckigkeit gehört zum Berufsbild, gute Reporter lassen sich nicht so leicht abschütteln.
Die Geschichte um das „Paradise Mountain Ressort“, in dem VIPs mit Hilfe der Datenbrille unter Druck und durch Veränderung des Ich-Gefühls zur Zahlungsbereitschaft gebracht werden sollen, scheint skurril, gäbe es nicht längst einen dunklen Markt für dubiose VR-Spiele und Pornografie. Eine zentrale Rolle spielt auch die Londoner Datenkrake „Oxford Labs“, die auswertet, was das Netz hergibt, und auf Bestellung haarscharfe Persönlichkeitsprofile liefert.
Harald LüdersTraumtunnelWestend-Verlag in Frankfurt, 330 Seiten, 16 Euro.
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Mitch Berger entspricht dem Klischee: Er liebt guten Wein, den Malt-Whisky Macallan, kennt sich auch in der gehobenen Gastronomie aus, hält Kontakte zu Geheimdiensten und anderen Informanten. Berger hat nicht nur die Nase, sondern auch die Auffassungsgabe, die vielen verloren gegangen ist, weil sie sich nur noch im Netz oder über die angeblich sozialen Medien informieren.
Harald Lüders ist Gebrauchs-Literat. Sein Thriller wechselt wie ein Drehbuch gekonnt die Schauplätze, wodurch filmische Action-Sequenzen entstehen, die den Leser gefesselt durch die Handlung hetzen. Vom Format eines John Le Carré („Der Spion, der aus der Kälte kam“) oder Frederick Forsyth („Der Schakal“) ist Lüders nicht, auch wenn ihn sein Frankfurter Verlag gern „in bester Tradition“ mit den beiden sehen möchte. Lüders ist Insider, hat mehr als 30 Jahre als Autor, Reporter und Redakteur fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen gearbeitet, sich journalistisch immer wieder mit Geheimdiensten und der extremen Rechten befasst. Er wurde mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, ist Darmstädter, wohnt aber in Frankfurt. Man darf gespannt sein, über welches Abenteuer Mitch Berger in seinem dritten Fall berichtet.