Sie lebt in Wiesbaden, hat aber noch nie in ihrer Wahlheimat gelesen: Bestseller-Autorin Charlotte Link war mit ihrem neuen Krimi „Die Suche“ zu Gast bei Hugendubel.
Von Birgitta Lamparth
Redakteurin Kultur und Stadtredaktion Wiesbaden
Charlotte Link (links) stellt im Dialog mit Bärbel Schäfer bei Hugendubel den Kriminalroman „Die Suche“ vor – und wusste beim Schreiben ihres neuen Buchs lange selbst nicht, wer der Täter ist. Vielleicht macht genau das die Spannung aus.
(Foto: Volker Watschounek)
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WIESBADEN - Vielleicht hatte sie das Wiesbaden versprochen. Und dass Charlotte Link Versprechen sehr ernst nimmt, ist eine der Erkenntnisse dieses besonderen Abends bei Hugendubel. Seit Jahren hatte sich Felicitas Nachtigall darum bemüht, die Bestsellerautorin einmal hierher einzuladen, damit auch die Fans in Wiesbaden sie kennenlernen können. Schließlich hat sie noch nie zuvor in ihrer Heimatstadt gelesen. Die Freude darüber, die als zurückhaltend und öffentlichkeitsscheu geltende Autorin nun tatsächlich begrüßen zu können, ist der Leiterin der Buchhandlung deutlich anzumerken.
Und da ist sie also: Klug, feinsinnig und mit einem wunderbar selbstironischen Humor ausgestattet, lässt sie im lockeren Gespräch mit Bärbel Schäfer bemerkenswert offen hinter die Geheimnisse ihrer Bestseller-Produktion blicken. Und das sei in erster Linie „ein ziemlich einsamer Beruf“: Nie könne man jemanden fragen, wenn man festhänge. Das passiere auch ihr, auch nach so vielen erfolgreichen Büchern: Allein in Deutschland hat sie 28 Millionen Romane verkauft. Das sagt nicht sie selbst über sich, das muss sie auch nicht. Es spricht für sich, dass die Veranstaltung im Obergeschoss der Buchhandlung mit über 200 Krimileserinnen und einigen wenigen Krimilesern seit Wochen ausverkauft ist.
Und was macht sie, wenn gerade nichts mehr geht?, will Bärbel Schäfer wissen, selbst als Autorin erfolgreich. „Staubsaugen, Kühlschrank ausräumen, Rasen mähen“, verrät Charlotte Link erfrischend geerdet: „Wenn mein Haus perfekt aussieht, dann habe ich vermutlich gerade eine Schreibblockade.“
Dass Schreiben manchmal auch mit „schierer Panik“ verbunden sein kann, das hat sie bei ihrem neuen Roman „Die Suche“ erlebt: „Das Buch hat mich wahnsinnig gemacht, weil ich zwei Drittel lang nicht wusste, wer der Täter ist.“ Ihr sei wichtig gewesen, von den Opfern zu erzählen: Jungen Mädchen aus ganz unterschiedlichen Familien, die offenbar in die Hände eines Psychopathen fallen. Und Charlotte Link schlüpft auch in seine Perspektive und liest aus Tätersicht jene Passage vor, in der er einen Teenager in seine Gewalt bringt. Dabei macht sie auch mit ihrer lebensklugen Psychologie bekannt: Brave Mädchen haben eben kein Rüstzeug, um sich zu wehren in so einer Situation.
Aber neben diesen menschlichen Abgründen gibt es auch das Kontrastprogramm: Die Erlebnisse ihrer Ermittlerin Kate Linville beim Online-Dating entlocken dem Publikum verständnisvolles Gelächter. Wenn die einsame, an sich selbst zweifelnde Detektivin sich mit Typen der Marke „Ist doch ein netter Pub, ich mach‘ alle Dates hier“, abgeben muss, oder jenen, die ohne Punkt und Komma über sich selbst reden und hinterher sagen: „Mit Dir kann man sich so gut unterhalten“, dann trifft sie mit dieser Figurenzeichnung ins Schwarze. Sie habe übrigens zu Recherchezwecken selbst den Paarship-Bogen ausgefüllt, aber nicht abgeschickt, verrät sie. Natürlich nicht: Auch an diesem Abend begleiten sie ihr Mann und die Tochter zu ihrem Lesedebüt in der Heimatstadt.
In ihrem neuen Buch gehe es neben der Spannung vor allem um Einsamkeit, erzählt die Autorin. Das sei heute ein großes Tabuthema. Und sie selbst – kennt sie das Gefühl auch? will Bärbel Schäfer wissen. Natürlich habe sie auch schon Phasen der Einsamkeit erlebt, sagt Charlotte Link: „Die schmerzhafteste ist die unter Menschen, meistens dann, wenn man einen großen Verlust erlitten hat.“
An diesem Abend aber lässt die prominente Bestsellerautorin die Nähe der vielen Menschen zu, die gekommen sind, um sie einmal live zu erleben: Jeder in der langen Schlange bekommt zum Schluss die Möglichkeit eines netten Selfies mit ihr – und natürlich eine Signatur in „Die Suche“.
Der Roman spielt übrigens wieder in Scarborough. Sie habe die Stadt im Nordosten Englands durch Zufall entdeckt, erzählt Charlotte Link: „Ich hatte mich verfahren.“ Und war von dem morbiden Charme des Ortes so begeistert, dass sie ihm versprach, das Setting in ihrem nächsten Roman zu werden. So ähnlich ging es ihr auch mit ihrer Heldin Kate Linville, die auch ein bisschen was von ihr selbst habe. Sie spielte eine kleine Nebenrolle in „Der Beobachter“ – und auch ihr versprach Charlotte Link, dass sie sie noch groß herausbringen würde, zuletzt in „Die Betrogene“. Und wenn sie schon Orten und fiktiven Figuren Versprechungen macht: Vielleicht verspricht sie ja dann jetzt auch Wiesbaden, es nicht bei diesem einen, sehr gewinnenden Heimspiel zu belassen.