#MeToo bei den Festspielen: Katharina Wagner äußert sich
Bei der Pressekonferenz zu den Bayreuther Festspielen geht es nicht nur um das Programm. Die Festspielleiterin nimmt öffentlich Stellung zu den Vorwürfen gegen Dirigent Thielemann.
BAYREUTH. Festspielleiterin Katharina Wagner kommt gleich zur Sache, obwohl das Thema eigentlich erst am Ende der traditionellen Pressekonferenz der Bayreuther Festspiele stehen sollte. Die Berichterstattung über Übergriffe auf dem Grünen Hügel habe sie „außerordentlich schockiert“.
Der „Nordbayerische Kurier“ hatte, wie kurz berichtet, neben „sexistischen Sprüchen“ auch körperliche Übergriffe thematisiert. Auch die Festspielchefin sei betroffen gewesen. Sie selbst könne sich wehren, betont die Urenkelin Richard Wagners nun in der virtuellen Pressekonferenz: „Ich bin in keinem Abhängigkeitsverhältnis.“ Sie wolle aber alles für den Schutz der Mitarbeiterschaft tun. Man könne sich jederzeit auch anonym an sie wenden. „Ich fordere seit Tagen inständig dazu auf, dass man sich meldet.“
In dem Artikel im „Nordbayerischen Kurier“ geht es neben Übergriffen durch Mitwirkende auch um beleidigende und frauenfeindliche Äußerungen des Dirigenten Christian Thielemann. Er soll sich über einen zu hohen Frauenanteil im Festspielorchester beklagt haben. „Warum 2 Frauen am Bass? Eine reicht“, wird aus einer internen Mail zitiert.
Diskriminierung aufgrund des Geschlechts?
Georg Freiherr von Waldenfels, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Festspiele, berichtet, aus München zugeschaltet, von einem Gespräch mit dem ehemaligen Musikdirektor der Festspiele, der in diesem Jahr „Lohengrin“ leitet. Es sei ihm um „zwei neue Gesichter“ und die Fluktuation im Klangkörper gegangen, nicht um das Geschlecht, habe Thielemann im Gespräch behauptet. „Keine von den Damen wurden von mir ausgetauscht“, betont die Festspielleiterin in der Pressekonferenz. Es seien „hervorragende Musikerinnen“.
Die Kontrabassistinnen selbst würden, so der Verwaltungsratsvorsitzende, von freundlicher Kommunikation mit dem Dirigenten berichten. „Nach jetzigem Stand“ habe sich Thielemann „keinerlei Beleidigungen oder Übergriffe“ zuschulden kommen lassen.
Katharina Wagner erläuterte in der Pressekonferenz mit dem kaufmännischen Geschäftsführer Ulrich Jagels, Nachfolger des nun am Staatstheater Wiesbaden tätigen Geschäftsführers Holger von Berg, auch die außergewöhnliche Premierenzahl der diesjährigen Festspiele: Neben der Neuproduktion „Der Ring des Nibelungen“, von Valentin Schwarz inszeniert und von Cornelius Meister dirigiert, gibt es am 25. Juli eine Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“. Markus Poschner dirigiert, Roland Schwab inszeniert diese Eröffnungspremiere.
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„Tristan und Isolde“ sei als „Backup-Stück“ in den Spielplan aufgenommen worden, sollte das Infektionsgeschehen der Pandemie bei den Choropern „Holländer“, „Tannhäuser“ oder „Lohengrin“ einen Strich durch die Rechnung machen. Eine „kluge Entscheidung“, findet Katharina Wagner auch angesichts des hohen Inzidenzwertes in Bayreuth (1392,3 am 22. Juli).
Die Tatsache, dass es für das Publikum auf den wegen Bauarbeiten derzeit nur 1771 von 1944 Plätzen im Festspielhaus keine Maskenpflicht gibt, nennt Geschäftsführer Ulrich Jagels eine „merkwürdige Situation“, auch angesichts der hinter der Bühne notwendigen Vorsicht und der Hygieneauflagen für Mitarbeitende: „Die Meinungen gehen sehr auseinander.“ Man habe sich auch wegen des Fehlens einer Klimatisierung gegen eine Maskenpflicht entschieden, empfehle aber den „wirksamen Schutz“ durch eine FFP2-Maske. In der Mitarbeiterschaft habe es seit Juni 80 Corona-Infektionen gegeben.
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Katharina Wagner rät den Mitwirkenden „dringend“ vom Besuch des Staatsempfangs nach der Eröffnung ab und möchte sich selbst dort nur „sehr kurz“ mit einer FFP3-Maske aufhalten.
Einen „tollen Kampfgeist“ und einen „guten Spirit“ hat Roland Schwab, Regisseur von „Tristan und Isolde“, bei den Proben erlebt und schwärmt von Richard Wagner als „Meister der Dialektik“. Der junge „Ring“-Regisseur Valentin Schwarz, als Musiktheater-Regisseur auch im Staatstheater Darmstadt hervorgetreten, würdigt die Teamarbeit an seiner zwei Jahre verschobenen Neuproduktion. „Die Szene entsteht im ständigen Austausch“, sagt er über die Arbeit mit dem Ensemble.
Umbesetzung als Chance
In den notwendig gewordenen Umbesetzungen der Wotan-Partie sieht er auch eine Chance: „Es hat Spaß gemacht, die Figuren ständig neu zu denken.“ Auf die Frage nach seiner viel zitierten Äußerung zum „Ring“ als Netflix-Serie beruhigt Schwarz: Es gebe keine TV-Show. Es sei ihm um die Seherfahrung einer Familiengeschichte gegangen.
Die Nachfrage sei auch in diesem für viele Theater schwierigen Jahr „deutlich höher“ als das Kartenangebot, berichtet Geschäftsführer Jagels. Es gebe aber, auch pandemiebedingt, immer wieder Rückläufe. Ein Blick in den Online-Ticketshop könne sich also lohnen. Aus dem Kartenverkauf erwarten die Festspiele 13,8 Millionen Euro Einnahmen. 12 Millionen kommen als Zuschüsse von den Gesellschaftern der Festspiele: der Bund, Bayern, Gesellschaft der Freunde und die Stadt Bayreuth.
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Im nächsten Jahr soll „Parsifal“ im Dirigat von Pablo Heras-Casado und in der Regie von Jay Scheib die Festspiele eröffnen. Joseph Calleja wird die Titelpartie singen. Für die Inszenierung versprechen die Festspiele eine besondere Seherfahrung: Das Publikum wird mit 3D-Brillen ausgerüstet. Die Sängerin und Dirigentin Nathalie Stutzmann wird die „Tannhäuser“-Wiederaufnahme leiten.