Ingo Zamperoni im Gespräch über sein neues USA-Buch

Donald Trump ist für Ingo Zamperoni in erster Linie das Symptom einer zerrissenen Gesellschaft. Foto: NDR/Thomas Pritschet; dpa; Montage: vrm  Foto: NDR/Thomas Pritschet; dpa; Montage: vrm
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„Dass beide Länder raus sind, ist bitter“, sagt der sportliche Deutsch-Italiener Ingo Zamperoni. Aber wenigstens sind dem Tagesthemen-Moderator, der 1974 in Wiesbaden...

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WIESBADEN. „Dass beide Länder raus sind, ist bitter“, sagt der sportliche Deutsch-Italiener Ingo Zamperoni. Aber wenigstens sind dem Tagesthemen-Moderator, der 1974 in Wiesbaden geboren wurde, bei dieser Weltmeisterschaft Loyalitätskonflikte erspart geblieben. Während der Europameisterschaft 2012 ist er in einen heftigen Shitstorm geraten, nachdem er in der Halbzeitpause des Spiels Deutschland-Italien einen an sich nicht verwerflichen Wunsch geäußert hatte: „Möge der Bessere gewinnen.“ Da stand es 2:0 für Italien, für das Land, das sich für die WM 2018 gar nicht erst qualifiziert hat.

Der Schwiegervater hat Donald Trump gewählt

Dem Moderator ist aber nicht nur „innerliche Zerrissenheit“ vertraut, mit der er seine Bemerkung von 2012 begründet hatte. Der US-Experte, der Amerikanistik unter anderem in Boston studiert hat und USA-Erfahrungen auch als ARD-Auslandskorrespondent sammeln konnte, ist mit einer Amerikanerin verheiratet. Sein Schwiegervater hat Donald Trump gewählt. „Ja, der Riss, der durch die US-Gesellschaft an sich geht, den erlebe ich quasi am eigenen Leib, in der eigenen Familie“, sagt er im Gespräch mit dieser Zeitung.

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Dieser Schwiegervater zieht sich fast wie ein Leitmotiv durch das zweite Buch, das Zamperoni nun nach „Fremdes Land Amerika“ über die USA geschrieben hat. Der Titel „Anderland“ scheint einen noch höheren Grad der Entfremdung auszudrücken. Zum Untertitel „Die USA unter Trump – ein Schadensbericht“ passt der Gesichtsausdruck des Moderators auf dem Cover. Er schaut den Leser kritischer, düsterer an als auf dem ersten Buch.

Schwarzmalen aber möchte er nicht: „Die amerikanische Gesellschaft ist unter Druck, aber sie ist wehrhaft“, sagt Zamperoni. „Ein Trump, auch wenn er mächtig ist, kann das Land nicht nach Gutdünken regieren.“ Allerdings: Die Richter am obersten Gerichtshof, die auf Lebenszeit benannt werden, könnten die USA viel nachhaltiger prägen als eine (oder gar zwei?) Trump-Amtszeiten. Und da ist zum Beispiel die Erosion der Wahrheit, die der Journalist als bedrohlich empfindet.

Was ursprünglich lediglich eine Aktualisierung für die Taschenbuchausgabe seines erfolgreichen Erstlings sein sollte, ist ein eigenständiges Opus von 200 Seiten geworden: „Es macht auch von der Motivation her mehr Spaß, gleich ein neues Buch zu schreiben.“ Dieses fängt mit dem „Schock“ an, mit dem überraschenden Wahlsieg Donald Trumps, der nun für einen „atemberaubenden“ Wechsel der Nachrichtenlagen sorgt. Es dürfte nicht leicht sein für einen Journalisten, unter diesen Bedingungen ein Buch abzuschließen. Nordkorea, US-Botschaft in Jerusalem, Angriff in Syrien: Wartet man nicht besser noch ein bisschen, bis das Werk in den Druck geht?

„Davon habe ich mich schnell gelöst“, entgegnet Zamperoni. „Ich habe kein Trump-Buch geschrieben. Ich habe ein Buch über die Gesellschaft geschrieben: Was macht das mit einem Land, was macht das mit den Menschen, unter so einer Form von Präsidentschaft zu leben?“

Eine der Kernaussagen von „Anderland“ ist ohnehin, dass Trump nur ein Symptom ist, das Symptom einer zerrissenen Gesellschaft: „Das ist ein ganz wichtiger Aspekt: Wir machen es uns zu einfach, wenn wir sagen: Wenn Trump nicht wäre, wäre alles gut. Er hat das Land nicht gekapert. Er hat die richtigen Knöpfe gedrückt an den Punkten, wo es den Leuten unter den Nägeln gebrannt hat.“

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Den Menschen nähert sich Zamperoni auch als Reporter, besucht einen Sheriff, der an der die Gesellschaft bedrohenden Drogenfront kämpft. Oder er begleitet einen Polizisten, der am Rio Grande mit dem Helikopter Patrouille fliegt. Dort will Trump Einwanderer mit einer Mauer stoppen. Das Vorhaben nennt Zamperoni „Irrsinn“. Aber aus der Perspektive der Trump-Wähler, sagt er im Gespräch, „läuft vieles nicht falsch“. Zum Beispiel die Entwicklung des Aktienmarkts, der für amerikanische Wähler ja viel wichtiger sei als bei uns: „Die Pensionsfonds hängen am Aktienmarkt.“

Sein Schwiegervater sei übrigens ein typischer „ABC-Wähler“: „anything but Clinton“, also „alles, nur nicht Clinton“. Er finde Trump persönlich „nicht toll“, nehme dem Präsidenten aber ab, dass ihm Amerika wichtig ist. Und die im Wahlkampf versprochene Senkung der Unternehmenssteuer, die das Wachstum ankurbeln sollte, war für ihn ein entscheidender Grund, Trump zu wählen.

Die nächste Begegnung mit dem Schwiegervater steht jetzt übrigens beim Familienurlaub in Wisconsin an, wo die Schwiegereltern leben. „Einer der wichtigen Staaten, der bei den Wahlen an Trump ging. Da bin ich gespannt, wie die aktuelle Lage und Stimmung so sind. Mal gucken.“ Als Journalist genieße er im Dialog ja eine gewisse Narrenfreiheit. Seine Frau habe es als Tochter da schwerer.