
Im Interview spricht der neue Mainzer Stadtschreiber Alois Hotschnig über seinen aktuellen Roman, den langen Schatten der NS-Zeit und das, was ihn an der Gegenwart beunruhigt.
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Herr Hotschnig, Sie haben schon in vielen Ausdrucksformen gearbeitet: Lyrik, Erzählung, Roman, aber auch Drama und Hörspiel. Zum Mainzer Stadtschreiberpreis gehört die Gelegenheit, eine Fernsehdoku zu erstellen – ist das für Sie noch einmal eine neue Form?
Das ist für mich tatsächlich eine neue Form, die mich sehr fasziniert. Ich habe bereits eine Idee zu einem dokumentarischen Film, und seit ich von dieser Möglichkeit weiß, kommt mit jedem Tag eine neue hinzu. Doch das sind alles Ideen, die ich sozusagen im Rucksack habe – und ich weiß, dass es gefährlich sein kann, wenn man zu vorgeprägt an einen Ort kommt. Ich möchte mich auf die Möglichkeiten einlassen, die mir der Ort Mainz mit seiner Geschichte und seinen Menschen bietet. Das ist für mich das eigentlich Spannende.
Ihr aktuellstes Werk ist „Der Silberfuchs meiner Mutter“: Ein Roman, der an das Leben des Schauspielers Heinz Fitz angelehnt ist, und in dem es um das Lebensborn-Projekt der Nazis geht, das sich an unverheiratete Schwangere richtete, um deren Kinder für die NS-Gesellschaft zu gewinnen. Was hat Sie an diesem Stoff fasziniert?
Das Thema Lebensborn hat mich vom ersten Mal, als ich davon gehört habe, im Innersten angesprochen und seither nie mehr losgelassen. Dabei geht es mir um das Größere: um die Frage der Adoption, im Falle des Lebensborns der verschleierten Adoption, und die lebenslange Suche dieser Kinder. Ihnen wurde in der Regel von ihren Adoptiveltern und dem System verschwiegen, wer ihre eigentlichen Eltern sind. Hinter dem Thema Lebensborn steht für mich so auch die größere Frage nach Herkunft, nach Geborgensein, nach Heimat, die man auch aus anderen Gründen suchen und ein Leben lang nicht finden kann. Das ist etwas, was mich beim Schreiben vom ersten Wort an ausgemacht hat.
In dem Roman spielt das Schweigen, das Nicht-Reden-Können eine Rolle – besonders in Bezug auf die Mutter des Erzählers, die 1942 als von einem Wehrmacht-Soldaten schwangere Norwegerin über das Lebensborn-Projekt nach Österreich kam, aber auch bei anderen Figuren. Würden Sie sagen, dass dieses Schweigen heute immer noch in der deutschen und österreichischen Gesellschaft nachwirkt?
Absolut wirkt dieses Schweigen nach – und es wird immer noch ausgeübt. Das Schweigen nach dem Krieg hat die österreichische Gesellschaft nicht nur geprägt, sondern ausgemacht. Es war das Verleugnen des österreichischen Anteils an den Verbrechen des Nationalsozialismus. Bis 1986 hat man in Österreich mit einer Fassung der Geschichte gelebt, nach der Österreich das erste Opfer Hitlers war – daher musste man sich nicht den Fragen der Täterschaft stellen. Mit dieser Lüge konnte man gut leben, aber um den Preis des Schweigens: Rechte Tendenzen sind nie untergetaucht, sie mussten sich nicht verbergen, denn wir waren ja ein Opfer. Diese Verweigerungshaltung den Tatsachen der Geschichte gegenüber lässt jetzt nach, aber gesellschaftspolitisch ist sie immer noch relevant.
Im Roman geht es auch um das Ausgegrenztwerden einer Frau, die in ihrer neuen Heimat immer als Fremde angesehen wird. Sie haben einmal gesagt, dass Sie hier in der Gegenwart erschreckende Ähnlichkeiten zu Tendenzen sehen, die es in den 30ern und 40ern gab. Was beunruhigt Sie am meisten?
Das neue Aufkommen von Nationalismen, von rechten nationalen Tendenzen. In Deutschland haben Ausländerheime gebrannt. Aber ich zeige jetzt nicht auf Deutschland mit meinem österreichischen Finger: Diese Gefahr ist bei uns allen ganz virulent da, sie hallt von den 30ern aus als Echo massiv nach. Ich habe Freunde, die jetzt um die 90 Jahre alt sind, und die mich seit Jahren darauf aufmerksam machen, wie sehr sie davon berührt sind, ähnliche Töne bereits gehört zu haben. Der Fremdenhass und all das zerstört auch den Umgang untereinander. Man meint immer, man muss eine Wagenburg bauen, um sich nach außen hin zu schützen. Aber in Wahrheit zersetzen wir uns dadurch nach innen. Das sehe ich als Gefahr.
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„Der Silberfuchs meiner Mutter“ zeichnet sich auch durch seine Form aus: Es ist ein einziger Monolog des Erzählers, nicht chronologisch, in dem Widersprüchliches nebeneinander steht. Ein konstantes Ringen um die Beschreibung des eigenen Lebens. Ist dieses Ringen, Scheitern und Neuansetzen letztlich das ehrlichere Erzählen?
Für mich ist es in jedem Fall das stimmigere Erzählen, um der Komplexität der Wirklichkeit auch nur annähernd entsprechen zu können, ihr nahe zu kommen. Denn wir bewahrheiten uns in den Widersprüchen. Diese Widersprüche machen uns aus, jeden von uns. Dass wir das Leben einmal so sehen, und einmal anders. Dass es ununterbrochen zu Veränderungen kommt in der Haltung, die wir dem eigenen Leben und jenem der anderen gegenüber einnehmen. Wie also davon erzählen, ohne diese Komplexität anzusprechen? Die Realität ist zu komplex, um chronologisch, einfach davon zu erzählen. Das kann gelingen – aber meine Form ist es nicht.
Welche Haltung würden Sie sich von Ihren Leserinnen und Lesern wünschen?
Ich bin in jedem Fall, was meine eigenen Texte betrifft, für die Aufhebung der sogenannten Deutungshoheit. Literatur ist keine mathematische Aufgabe, auf die es nur die eine Antwort gibt. Literatur ist Dialog, ist das Angebot, ins Gespräch zu kommen. Das Schreiben ist Diskurs. Über die vielen Jahre hinweg, die ich Bücher veröffentliche, ist es mir oft passiert, dass Menschen mit mir Kontakt aufgenommen haben, um über eine meiner Geschichten zu sprechen, die sie als ihre Geschichte empfinden. Von ihrer Geschichte hatte ich naturgemäß keine Ahnung, und sie hatte oft auch wenig mit meiner eigenen Deutung des Texts zu tun. Und doch hatten diese Menschen, die meine Geschichte als ihre eigene empfunden haben, recht.
Über Heinz Fitz, mit dem Sie für „Der Silberfuchs meiner Mutter“ lange Gespräche geführt haben, gibt es auch eine Verbindung in das Rhein-Main-Gebiet: Er hat die Schauspielschule in Wiesbaden besucht. Waren Sie selbst schon einmal in der Gegend? Oder werden Sie sie jetzt als Mainzer Stadtschreiber neu entdecken?
Ich war noch nie in der Gegend, aber von Heinz Fitz weiß ich viel darüber und freue mich darauf, sie mit eigenen Augen zu entdecken. Ich werde auch nach Wiesbaden fahren, weil Heinz Fitz es mir als Ort seines Glücks beschrieben hat. Das Theater dort, die Schauspielschule, war die Rettung für sein Leben, so hat er es erzählt.
Sie arbeiten meist sehr lange an Ihren Werken. Gibt es trotzdem schon ein neues Projekt, an dem Sie in der Mainzer Stadtschreiberwohnung arbeiten werden?
Zurzeit sitze ich an einem Hörspiel, und es gibt Vorüberlegungen zu einem neuen Roman. Aber ich bin auf der Suche, ich bin offen, und auf Empfang. Ein Gedanke ist mir ein besonders schöner: Dass mir vielleicht in Mainz, in einem der Menschen, die mir dort begegnen werden, die nächste Geschichte begegnet, auf die ich mich tatsächlich so einlassen kann, wie auf den „Silberfuchs meiner Mutter“. Es muss nicht geschehen – aber es wäre ein Glück.