Mit einer Installation von Ottmar Hörl erinnert Eltville an den Erfinder der Druckkunst. Bei freiem Eintritt kann man die 165 Skulpturen in der Kurfürstlichen Burg besuchen.
ELTVILLE. Da haben sich zwei gefunden. Der eine erfand das Medium, mit dem sich plötzlich nicht nur einige Eingeweihte, sondern alle Menschen Wissen aneignen konnten: den Buchdruck. Der andere macht über 500 Jahre später mit seinen Installationen im öffentlichen Raum Kunst einem ganz breiten Betrachterkreis zugänglich. Es war einfach nur eine Frage der Zeit, wann diese beiden sich begegnen würden.
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„Mann des Jahrtausends“ flaniert zwischen Rosen
Jetzt ist es soweit: Konzeptkünstler Ottmar Hörl widmet Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, eine große öffentliche Installation. Eingeladen dazu hat ihn die Stadt Eltville anlässlich des 550. Todestag Gutenbergs in diesem Jahr. In Eltville hatte Hörl, 1950 in Nauheim geboren und lange Jahre Nürnberger Akademie-Präsident, schon 2013 zum 25. Jubiläum des Prädikats „Rosenstadt“ mit einer Installation Furore gemach: 500 rote Kunststoff-Rosen repräsentierten die in Eltville blühenden 22 000 Rosenstöcke. Die rote Pracht wurde im Anschluss komplett verkauft, erzählt Barbara Lilje, die in Eltville das Amt für Wirtschaftsförderung, Kultur und Tourismus leitet und das Gutenberg-Projekt betreut. Das ist auch der Plan für die 165 Gutenberg-Skulpturen, die man jetzt bereits reservieren kann. Bis zum 23. September freilich bleiben sie für die Ausstellung an Ort und Stelle – in den sogenannten „Amtsgärten“ der Kurfürstlichen Burg.
Hier lustwandelt die Figur quasi zwischen Strauchrosen und unter schattigen Bäumen. Sie hat alles, was das Motiv sofort erkennen lässt: Den Bart und das Buch, die Kappe und den langen Mantel. Aber warum gibt es sie in Schwarz, Rot, Gold? Mit den Nationalfarben habe das nichts zu tun, sagt Ottmar Hörl: „Das Gold taucht auf bei den ersten Bibel-Veröffentlichungen, das Rot steht für den Siegellack und das Schwarz ist die Druckerfarbe.“
Ansonsten sind die Skulpturen aber identisch. Und wie einzelne Schnittbilder eines Films: Gerade noch schlendert der bärtige Mann über die Wiese unten, um gleich darauf auf dem Plateau aufzutauchen oder im Burghof. Mal sind es geballte Formationen an „Black Magic“, so der Titel der Eltviller Installation, dann wieder trifft man auf einzelne, versonnene 90-Zentimeter-Figuren.
„Er spaziert ganz entspannt durch sein ehemaliges Wohndomizil“, meint Hörl. Die Gutenbergforschung vermutet, dass der laut Time-Magazin „Mann des Jahrtausends“ hier zu Lebzeiten war. In der Burg erinnert ein kleines Museum mit einer originalen Florentiner Druckpresse daran, man kann auch bei einem Stadtrundgang auf Gutenbergs Spuren wandern.
Aus Mainz habe es übrigens auch vor drei, vier Jahren eine Anfrage zu einem Gutenberg-Thema gegeben, erzählt Hörl: „Das ist aber im Sande verlaufen.“ Für das aktuelle Projekt gibt es eine Kooperation mit dem Gutenberg-Museum und der Gutenberg-Stiftung, so Barbara Lilje: „Es war uns wichtig, dass auch die große Gutenberg-Stadt Mainz an dem Projekt partizipiert.“ So gibt es unter anderem am 21. September eine Schifffahrt von Eltville nach Mainz mit einem Besuch im Gutenberg-Museum.
Für Ottmar Hörl ist das ganze Projekt eine soziale Plastik: „Daran sind unheimlich viele Menschen beteiligt“. Kunst sei so eingeschlossenen in einem lebendigen Prozess. Dazu zähle auch, dass seine Figuren keine Distanz entwickeln: „Meine seriellen Skulpturen sollen Menschen ja in einem normalen Umfeld begegnen. Man darf sie ruhig anfassen. Oder woanders hinstellen.“ Und sich darüber wundern, wie leicht sie sind: Sechs Kilogramm wiegen die Skulpturen aus speziell gegossenem, weichem Kunststoff.
Seriell ist das Zauberwort, das beide verbindet
Über 30 ehrenamtliche Gutenberg-Botschafter wachen zur Ausstellungszeit darüber, dass der serielle Erfinder der Buchdrucks vor lauter Entspanntheit nicht aus der Burg schlendert. An der Hand eines Besuchers.
Seriell ist das Zauberwort, das Gutenberg mit Hörl verbindet. Das präge heute unser Leben, meint der Konzeptkünstler, dessen multiple Skulpturen längst zu einer eigenen, wiedererkennbaren Handschrift geführt haben: „Die serielle Konzeption bei Gutenberg mündet 500 Jahre später im Personal Computer. Bis dahin war die Innovation Gutenbergs die prägende Kraft, die die Menschen mit Information versorgt“. Niemand mache sich Gedanken darüber, wenn er ein Buch kauft, dass es davon Tausende von Exemplaren gibt.
Da sind 165 Exemplare doch eine fast exklusive Serie. Aber eine, die sich allen Menschen öffnet: „Viele Dinge, die ich in Galerien mache, bleiben in der konspirativen Vereinigung eines kleinen Kreises an Wissenden,“ sagt Hörl. Im öffentlichen Raum ist das anders. Und in Eltville wird Hörls Konzeptkunst mit ihrer besonderen Poesie sicher bei vielen Besuchern Zuspruch finden. „Das sind ja ulkige Gartenzwerge“, sagt ein Knirps am Eingang. Hörl lächelt. „Ich habe schon beobachtet, wie ein Kind eine gleich große Figur geküsst hat.“ Alles gut: Wenn kleine und große Besucher dann darüber nachdenken, wer Gutenberg war, hat er sein Ziel erreicht. Und das mit den Gartenzwergen, das gab es bei Hörl tatsächlich schon. Aber das ist eine andere Serie.