Danny Boyle tut in „Yesterday“ so, als habe es John, Paul, George und Ringo nie gegeben.
Von Birgit Roschy
Hey Dude: Jack (Himesh Patel) kommt mit den Songs der „Beatles“ in die Hitparaden.
(Foto: Universal)
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Der erfolglose Singer-Songwriter Jack befindet sich nach einem Fahrradunfall, bei dem er zwei Zähne verlor, am absoluten Tiefpunkt. Was läge näher, als zur Gitarre zu greifen und melancholisch „Yesterday“ zu jaulen? Ellie, seine Managerin, beste Freundin, einziger Fan und seine anderen Kumpel sind von seinem Weltschmerzsong wie vom Donner gerührt. Sie halten Jacks Komposition zwar für nicht so gut wie „Fix You“ von „Coldplay“, aber doch für das Beste, was er bisher geschrieben habe. Jack glaubt zuerst, dass seine Clique ihn auf den Arm nehmen will. Dann googelt er „Beatles“ und bekommt Bilder von Insekten und vom VW-Käfer.
Tatsächlich geschah zur gleichen Zeit wie sein Fahrradunfall ein globaler Stromausfall. Es scheint, dass der Blackout die „Beatles“ – und noch ein paar Dinge mehr, die hier nicht verraten werden sollen – aus dem kollektiven Gedächtnis gelöscht hat.
Eine Welt ohne Paul, John, George & Ringo! Für Jack, der sich als Einziger erinnert, ist dies ein unhaltbarer Zustand. Er kann also gar nicht anders, als die „Beatles“ rauf und runter zu spielen – mit dem Nebeneffekt, dass seine Karriere in Gang kommt. Doch der gutartige Musiker, vom „Nowhere Man“ zum Star katapultiert, leidet immer stärker unter dem geklauten Ruhm.
DER REGISSEUR
Der Brite Danny Boyle (62) hatte 1994 seinen ersten Erfolg mit der schwarzen Komödie „Kleine Morde unter Freunden“. Das Drogendrama „Trainspotting“ avancierte zwei Jahre später zum Kultfilm. Vor zehn Jahren errang Boyle mit „Slumdog Millionaire“ den Regie-Oscar. (sb)
Es ist schon ziemlich gewitzt, wie in diesem sonnigen Popmärchen dem „Beatles“-Phänomen Hommage erwiesen wird. Zwar ist der Film wie „Bohemian Rhapsody“ und „Rocketman“ Teil des derzeitigen Britpop-Revivals. Doch statt in einer geradlinigen Chronik wird die Musik der „Fab Four“ in Form einer alternativen „Was wäre wenn“-Realität gewürdigt. Als Generationen übergreifender Vermittler fungiert Popstar Ed Sheeran. Sich selbst spielend, wird er zum Mentor des vermeintlichen Genies Jack. Unter anderem leistet auch Moderator James Corden, durch die Sendung „Carpool Karaoke“ bekannt, dem Newcomer Unterstützung.
Allerdings wirkt die Handlung oft zerfahren, weil Regisseur Danny Boyle zu viele Dinge in seinen Film packt. So ist Jacks holpriger Aufstieg in den Pophimmel auch eine flaue Satire auf die heutige Musikbranche, in der eine diabolische Managerin dem schüchternen Kleinstadtbriten Reichtum und Ruhm verspricht. Als zweiter Handlungsfaden dient die unausgesprochene Zuneigung zwischen dem tapsigen Künstler und der wackeren Ellie. Der noch unbekannte Himesh Patel und die stets niedliche Lily James sind zwar ein sympathisches Paar. Doch ihre bestürzend jugendfreie Love Story ist von Weitem vorhersehbar.
Bestechend ist andererseits die Unbekümmertheit, mit der alle die Handlungslogik betreffenden Fragen einfach offengelassen werden. Und so erwartbar das spießige „Ob-La-Di Ob-La-Da“-Happy End daherkommt, so witzig sind die Spinnereien im Detail. Es wird beispielsweise diskutiert, ob Jack nicht besser „Yes Yes Yes“ statt „Yeah Yeah Yeah“, oder „Hey Dude“ statt „Hey Jude“ singen sollte. Und wie ging noch mal der Text von „Eleanor Rigby“?
Insgesamt werden, in unterschiedlichsten Auftrittsformen vom heimischen Klavier bis zum Wembley-Stadion, 17 „Beatles“-Songs angespielt. Anders als bei Jacks gemütlichen Eltern, die als einzige der „Beatles“-Magie widerstehen, verfehlt die Musik zumindest auf den Zuschauer nie ihre Wirkung. Es ist hinreißend, wenn Jack zum Beispiel zusammen mit Sheeran im heutigen Moskau vor einer tobenden Menge „Back in the USSR“ spielt. So zaubert diese aufgeschäumte Wohlfühl-Komödie trotz ihrer Makel ein breites Grinsen aufs Gesicht, und vielleicht auch ein paar Tränen. Widerstand zwecklos: let it be, let it be.
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