Schwarzer Kajal mit blauen Flecken: Charlize Theron verkörpert eine Agentin, die Männer nur flachlegt, um sie zu würgen. Im lässigen Rückblick blättert David Leitch durch...
. Nach einem harten Arbeitstag nimmt Lorraine Broughton gern mal Pillen mit Wodka und lässt sich eine schöne Wanne mit Eiswasser ein. Wenn die Lady mit dem platinblonden Schopf, dem unverwüstlich schwarzen Kajal und den waffenscheinpflichtigen roten High Heels Feierabend hat, ist sie nämlich bisweilen ein einziger blauer Fleck. Kaputt sehen ja viele aus, Charlize Theron ("Monster") aber schaut umwerfend gut kaputt aus. Und ist damit die ideale Hauptdarstellerin für einen Actionfilm nach Comic-Vorbild, der zwar keinen brauchbaren Plot, aber einen stylish schmuddeligen Look und einen wavigen Sound hat.
"Atomic Blonde" spielt im Herbst 1989 in Berlin, als gerade der Kalte Krieg abgeblasen wird, weshalb allenthalben Spione die Fronten wechseln. Und alle sind hinter einer Liste mit Doppelagenten her, was aber purer McGuffin ist, wie Hitchcock solche Anlässe für Aktionen nannte, die im Grunde ohne Belang sind. Dieser Film basiert ja schließlich auch nicht auf einem Agentenroman von John Le Carré, sondern auf der Graphic Novel "The Coldest City", weshalb Regisseur David Leitch, ein erfahrener Stuntman, hier auch einen fahlen Action-Bilderbogen mit Neon-Akzenten vorlegt. Die Härte seines zweiten Films nach "John Wick" (2014) erinnert an Luc Bessons "Nikita". Farbe und Grafik lassen an Robert Rodriguez ("Sin City") denken.
Während Charlize Theron Spione und Schutzmänner vermöbelt, KGB-Killer Ost-Punks aufmischen, Trabi, Wartburg und Lada zu Blech- und Plastewracks werden, ertönen dazu die Hits der Dekade: "Depeche Mode" und "New Order", Falco, Peter Schilling und Nena, David Bowie und George Michael. Viel Neue Deutsche Welle und New Wave, monochrom silbrig und grün grundiert und mit Sprayer-Zeichen markiert.
Im lässigen Rückblick nach Lorraines Einsatz blättert David Leitch durch ein Bilderbuch der Popkultur mit Mauerspechten und Hip-Hoppern, in dem die Gewalt anfangs spielerisch wie Slapstick daherkommt, bald aber zum seriellen Gemetzel wird. Da ein stabiles Handlungsgerüst fehlt, wird der Krawall zwischendrin auch mal fad, aber auf die Hauptfiguren ist Verlass.
Neben Charlize Theron, die auch noch eine Modenschau mit Mänteln und Trenchcoats hinlegt, ist es vor allem James McAvoy ("X-Men") als aasiger MI6-Agent, der in seinem Pelzmantel ausschaut wie ein Kiez-Lude. Eddie Marsan ("Mr. May") spielt den Stasi-Mann, der die Namen aller Doppelagenten im Kopf hat, als bänglichen Spießer. Und Sofia Boutella ("Die Mumie") ist eine französische Agentin ohne Ahnung, die Lorraines Beschützerinstinkt weckt. Ihr geht sie auch an die Wäsche, Männer hingegen legt sie nur flach, um ihnen an die Gurgel zu gehen.
Die auch eben erst im Kino auferstandene Comic-Kollegin Wonder Woman müsste vor so viel emanzipatorischem Furor die Waffen strecken. Und bloß gut, dass James Bond in diesem Film nichts zu suchen hat. 007 würde die Begegnung mit Lorraine wohl bereuen, denn ihr Name ist Blonde, Atomic Blonde, und mit ihr ist nicht gut Martini trinken.