Michael Apitz stellt Monumentalbild „Luther95“ in Wormser Dreifaltigkeitskirche fertig
Von Ulrike Schäfer
Nun ist es fertig: Michael Apitz mit seinem Lutherbild in der Dreifaltigkeitskirche. Es besteht aus 95 Teilen. Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin
( Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin)
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WORMS - Das holländische Ehepaar Hans und Margie Roelvink, das zurzeit in der Region Urlaub macht, war morgens zum Gottesdienst in der Dreifaltigkeitskirche gewesen und hatte gehört, dass mittags ein riesiges Lutherbild aus 95 Teilen zusammengesetzt werden sollte. Das wollten sich die beiden nicht entgehen lassen. Pünktlich um 13 Uhr waren sie wieder da.
Noch war von Luther keine Spur zu sehen, genauer gesagt nur eine Skizze, die der Künstler Michael Apitz mitgebracht hatte. Doch manches war anders als sonst. Links verdeckte eine fast vier Meter hohe und 3,60 Meter breite, leere Holzwand die Kanzel, rechts wartete ein Baugerüst auf seinen Einsatz, und auf den Stufen zum Altar standen acht Kisten, die zweifelsohne die Puzzleteile für „Luther95“ enthielten. 95 Teile, 95 Thesen!
Besucher reichen dem Künstler die Teile
In den vergangenen 500 Jahren sei der Reformator ganz unterschiedlich dargestellt worden, als Anti-Katholik, als deutscher Nationalheld, als Reichseiniger, aber noch nie in Puzzleform, scherzte Pfarrer Volker J. Fey bei der Begrüßung der nicht ganz 95 Gäste. Luther habe Großes in Gang gesetzt. „Wir in Worms können ein Lied von seiner Standhaftigkeit singen.“ Der Künstler Michael Apitz, der sein Monumentalwerk schon in Wiesbaden, Bad-Homburg und Mainz-Kostheim gezeigt habe und es nach Worms auch in der Darmstädter Pauluskirche und der Frankfurter Paulskirche präsentieren werde, habe für seine Arbeit aber auch die anderen Facetten Luthers aufgegriffen, seine Schriften gegen die aufständischen Bauern und gegen Andersgläubige, insbesondere Juden. Der Reformator selbst habe einmal bekannt, dass er erschrocken sei über die vielen Dinge, die er „unweislich und töricht“ angerichtet und nicht mehr habe gut machen können.
Nun ist es fertig: Michael Apitz mit seinem Lutherbild in der Dreifaltigkeitskirche. Es besteht aus 95 Teilen. Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin Foto: photoagenten/Alessandro Balzarin
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Wie Apitz die Ambivalenz Luthers dargestellt hatte, war 20 Minuten später dann auch gut zu erkennen. Bis dahin waren die meisten Kirchenbesucher nach vorne gekommen, hatten dem Künstler eines der hölzernen Puzzleteile angereicht oder es selbst an der Holzwand eingehängt. Renate Bayer reihte sich gleich mehrfach in die Schlange ein. „Da muss man doch mitmachen!“, fand sie, gab aber auch zu Protokoll, dass sie ihre schicke rote Jacke nicht etwa angezogen habe, weil das Fernsehen da sei. Auch Herbert W. Hofmann und Ehefrau Hannelies beteiligten sich. „Toll, dass man da mitwirken kann. Das ist schon was Besonderes“, freuten sich beide.
ZU SEHEN
Das Monumentalbild „Luther95“ des Künstlers Michael Apitz ist von nun an für vier Wochen in der Dreifaltigkeitskirche zu sehen.
Zunächst war nur das Gewand des Reformators zu sehen, dann ein Zipfel seines Ärmels. Erkennbar war auch schon auf der linken Bildseite eine helle, vielleicht dem Humanismus oder dem bereits am Horizont aufscheinenden Licht der Aufklärung zuzuordnende Farbe, unterlegt mit einer Psalmenexegese in Luthers eigener Schrift, und rechts ein pulsierendes Rot, das für die Leidenschaft des Glaubens, aber auch für die vielerorts blutigen Folgen der Reformation angenommen werden konnte.
Ab einer gewissen Höhe musste der Künstler das Gerüst benutzen. Die Bibel, auf die sich Luther in allem bezog, wurde sichtbar, schließlich der nach links, ins Helle gewendete Kopf, nicht ganz so trutzig wie die Wormser Darstellungen von Ernst Rietschel und Adam Antes, eher nachdenklich. „Ein ganz wunderbares Bild“, sagte Margie Roelvink andächtig. „Das war wirklich ein großes Erlebnis!“
„Ich wollte Martin Luther erst ausschließlich positiv darstellen“, erläuterte Apitz. „Bei der näheren Beschäftigung mit ihm lernte ich auch seine Zwiespältigkeit kennen.“ Ein schöner Zufall sei, dass sein Reformator von diesem Platz aus am Dom vorbei an den Ort schaue, wo er den Widerruf verweigert habe. „Vielleicht wird das Monumentalbild 2021 ja im Dom aufgebaut werden können.“
Dr. Peter Diehl, Mitglied des Kirchenvorstands, hatte seine alten „Karl, der Spätlesereiter“-Comics mitgebracht, um sie von Michael Apitz signieren zu lassen. „Das letzte Heft habe ich, glaube ich, vor zehn Jahren gezeichnet“, klärte der Künstler auf. „Seither habe ich vorwiegend als Maler gearbeitet. Luther ist ein Höhepunkt meines Schaffens.“