Viele Dinge im Fall Deniz Yücel sind in Bewegung. Bei der Mahnwache am Montag vor der Stadthalle konnten die rund 50 Teilnehmer nicht nur ihre Solidarität mit dem in der...
FLÖRSHEIM. Viele Dinge im Fall Deniz Yücel sind in Bewegung. Bei der Mahnwache am Montag vor der Stadthalle konnten die rund 50 Teilnehmer nicht nur ihre Solidarität mit dem in der Türkei inhaftierten gebürtigen Flörsheimer bekunden, sondern auch den aktuellen Sachstand erfahren. Daniel Böhmer vom Auslandsressort der Tageszeitung „Die Welt“ und dort für die Betreuung seines Kollegen Deniz Yücel zuständig, brachte die Zuhörer auf den aktuellen Stand. Danach sind einige Entwicklungen an ihrem vorläufigen formaljuristischen Ende angelangt. So habe die türkische Regierung ihre Stellungnahme zum Fall Yücel beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht.
Keine neuen Vorwürfe gegen Deniz Yücel
Positiv daran: Gegen Yücel seien dabei keine neuen Vorwürfe, etwa der Spionage oder des Terrorismus, erhoben worden. Die Entgegnung von Yücels Anwälten liege vor, die Bundesregierung müsse noch Stellung beziehen. Die mündliche Verhandlung erwartet Böhmer für das Frühjahr. Eine mögliche Entscheidung sei, dass die Freilassung Yücels bis zu einem ordentlichen Gerichtsverfahren gefordert wird.
Vor dem türkischen Verfassungsgericht habe die Regierung in Ankara bereits Stellung zur Haftbeschwerde genommen, Yücels Anwälte hätten ihrerseits eine Stellungnahme abgegeben. Der Weg für eine Entscheidung durch das türkische Verfassungsgericht sei damit frei, so Böhmer. Bis zu einer Entscheidung könnten allerdings Wochen oder gar Monate vergehen.
Denkbar wäre auch, dass Yücel während des Prozesses auf freien Fuß gesetzt wird, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Anklage dem türkischen Strafgericht der ersten Instanz vorgelegt habe.
„Jeder Fortschritt ist gut“, sagte Böhmer. Jeder innerhalb des türkischen Rechtssystems wisse aber auch, dass der Fall Yücel ein politischer Fall ist. Der weitere Verlauf sei deshalb vom politischen Kontext abhängig. „Ich bin optimistisch, dass sich etwas bewegt“, sagte Böhmer und fügte hinzu: „Jedes Zeichen bedeutet Deniz viel. Besonders aus Flörsheim.“ „Was Sie hier tun, das können wir nicht“, sagte er zum Engagement der Bürger und den Einflussmöglichkeiten von Yücels Arbeitgeber.
Bürgermeister Michael Antenbrink (SPD) erinnerte daran, dass sich die Hoffnung von vor wenigen Tagen mittlerweile ins Gegenteil verkehrt habe. „Wenn das Verfassungsgericht eines Landes noch nicht mal bei den eigenen Gerichten durchdringt – das ist für uns unvorstellbar“, so Antenbrink zu dem Umstand, dass die vom Verfassungsgericht angeordnete Freilassung zweier Journalisten von einem untergeordneten Gericht wieder kassiert wurde. Einer Politik der Zugeständnisse an die türkische Regierung erteilte Antenbrink am Montag eine Absage. „Kuscheln mit Erdogan ist wie, sich ein Krokodil ins Bett zu holen“, sagte Antenbrink und mahnte die Bundesregierung, einen konsequenten Kurs zu halten. Ein diskutierter möglicher „Deal“, bei dem die Freilassung Yücels im Gegenzug mit einem Waffgengeschäft mit der Türkei ermöglicht werden soll, sei sicher nicht im Sinne Yücels, so Antenbrink. Mürvet Öztürk, fraktionslose Abgeordnete im hessischen Landtag, betonte am Montag, wer seine Meinung äußere, der dürfe nicht inhaftiert werden. Deniz Yücel werde nicht vergessen, Freiheit und Menschlichkeit würden siegen.
Sollte Deniz Yücel auch am 14. Februar noch inhaftiert sein, müsste die nächste Mahnwache als Jahrestag seiner Ingewahrsamnahme begangen werden.