Gerüchte über eine größer angelegte Umverteilung gehen um
Als Carlos Tavares gemeinsam mit dem Neuen an der Opel-Spitze, Michael Lohscheller, das Strategiepapier „Pace!“ präsentierte, ging es nicht nur um Motoren, Absatzmärkte und Forschungsstandorte. Es ging auch um die Struktur der Werke selbst. Von Effizienzdefiziten in sämtlichen Fabriken war die Rede und von teils verschwenderischer Flächenausnutzung. Im Gespräch mit dieser Zeitung bestätigte Opel-Chef Lohscheller wenig später, dass die Standorte allesamt einer intensiven Einzelprüfung unterzogen werden, um durch die Reduktion von Komplexität in der Fertigung und die Verringerung des Flächenverbrauchs Einsparungen zu erzielen. Rüsselsheim, so Lohscheller damals, weise eine besonders hohe Komplexität auf.
Im Gespräch mit dieser Zeitung berichteten mehrere Mitarbeiter davon, dass das Unternehmen sukzessive die im heutigen Altwerk zurückgemieteten Bereiche verlasse und in einigen Abteilungen Gerüchte über eine größer angelegte Umverteilung kursieren. Offiziell gibt es von Opel dafür keine Bestätigung, aber auch kein Dementi. Man setze momentan „an mehreren Hebeln an, um Opel in den nächsten Jahren wieder nachhaltig profitabel zu machen“, heißt es aus der Opel-Pressestelle. Und weiter: „Dies umfasst auch die Belegungsplanung und -optimierung von Flächen an unseren Standorten. Aktuell gibt es hierzu jedoch keine Entscheidungen.“ Welche Abteilungen im „Phase II“-Areal untergebracht sind, wollte man nicht genau benennen.
Wirklich neu sind die Argumente nicht
Auch bei der Rüsselsheimer Stadtverwaltung ist eine mögliche Wiederauflage der „Phase II“ kein Thema. Weder sei etwas über derlei Pläne bekannt, noch sei man der Meinung, dass im Falle eines doch stattfindenden Verkaufs an alte Pläne angeknüpft werden könne. Ob konkret oder nicht – wirklich neu sind die Argumente in Sachen Flächenplanung bei Opel nicht. Vor rund elf Jahren hörte man ganz ähnliche Gründe schon einmal. Damals ging es um den Verkauf des ältesten Werksteils, für den man nach dem Bau des Adam-Opel-Hauses und der Leanfield-Endfertigung keine sinnvolle Verwendung mehr sah. „Das Werk Rüsselsheim ist zu teuer, zu alt, zu ineffizient“, ließ der damalige Opel-Immobilienchef, Dieter Krocker, schon 2005 wissen.
2007 wurden – zumindest in Sachen Eigentumsverhältnisse – Fakten geschaffen und das Altwerk wurde an die Investorengruppe HKS verkauft. Im gleichen Zuge, und hier wird es nun mit Blick auf die heutige Situation interessant, stellte Opel in Aussicht, sich in einigen Jahren noch weiter gen Westen und Süden zurückzuziehen. „Altwerk Phase II“ hieß der Plan, der vorsah, nach dem Umbau des am Bahnhofsplatz gelegenen, vorderen Altwerks auch den dahinterliegenden Teil zu verkaufen und zu einem Teil Rüsselsheims zu machen. Ein bedeutender Schritt, schließlich hatte das in „Phase II“ avisierte Gelände Dimensionen, die für Rüsselsheim fast schon etwas wie einen kleinen, neuen Stadtteil bedeuten würden.
Der Zukunftsplan "Drive 2022" sollte dem Opelwerk auf die Sprünge helfen
Mit der Herausforderung konfrontiert und von der Anfangseuphorie in Sachen Altwerksumbau genährt, wurde die „Phase II“ auch bei einigen Planungen, etwa der Verkehrsanbindung, mitbedacht und beispielsweise eine Brücke vorgeschlagen, die das Altwerk über die Bahntrasse und durch einen Teil des „Phase II“-Areals erschließen sollte. Nach dem Auszug Opels sollte der Übergang dann auch den Bewohnern des neuen Stadtteils dienen, der mit zu Wohngebäuden umgebauten Fabrikhallen und dem markanten Opel-Turm als backsteinernem Wahrzeichen ein außergewöhnliches Quartier geboten hätte. Geworden ist aus alledem bekanntlich nichts.
Das hat nicht nur mit den Vermarktungs-, Verhandlungs- und Vermittlungsproblemen zu tun, die sich in den Folgejahren rund um die Einkaufszentrumspläne entwickelten, sondern auch mit Opel selbst. Sechs Jahre waren seit dem Verkauf des Altwerks vergangen, eine Beinahe-Insolvenz und der gescheiterte Verkauf an Magna und die russische Sberbank lag hinter dem Unternehmen, da sah man bei Opel die Notwendigkeit, dem Unternehmen mit einem ambitionierten Zukunftsplan auf die Sprünge zu helfen. „Drive 2022“ hieß das Papier, in dem sich Punkte wie eine flottenweite Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes und der Bau eines neuen Motoren- und Getriebe-Testgebäudes fanden.
Alles sollte dazu beitragen, „das Unternehmen wieder zu nachhaltiger Profitabilität“ zu führen, wie es Joachim Koschnicke, damals „Opel Vicepresident, Government Relations & Public Policy Europe“, an Oberbürgermeister Patrick Burghardt schrieb. Und weiter: „Sollten unsere Anstrengungen greifen, wäre das ein Glücksfall für die Adam Opel AG wie für die Stadt Rüsselsheim. In diesem Fall kann ich nicht ausschließen, dass wir weiteren Flächenbedarf haben werden und keine weiteren zum Werksgelände gehörenden Flächen abgeben können.“ Seither ist die „Phase II“ vom Tisch. „Drive 2022“ ist es mittlerweile aber eben auch.
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